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Revision 9 vom 2011-01-27 23:17:54
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Das '''Ausländerzentralregister''' ist eine der [[Datenbanken gegen MigrantInnen]]. Es enthält Personalien, Wohnsitze,
Aufenthaltsverfügungen sowie weitere Daten von Menschen ohne deutsche
Staatsbürgerschaft, die sich nicht nur vorübergehend in der BRD aufhalten oder
aufgehalten haben (Aussonderungsprüffrist sind 10 Jahre). Es
wird vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführt
([[http://www.bva.bund.de/cln_092/nn_372378/DE/Aufgaben/Abt__III/InnereSicherheitAuslaender/AZR/azr-node.html?__nnn=true|BVA über AZR]]). Einträge im AZR sind
über [[INPOL]] recherchierbar.
Das '''Ausländerzentralregister''' ist eine der [[Datenbanken gegen
MigrantInnen]]. Es enthält Personalien, Wohnsitze, Aufenthaltsverfügungen sowie
weitere Daten von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die sich nicht nur
vorübergehend (die Grenze verläuft irgendwo bei drei Monaten) in der BRD
aufhalten oder aufgehalten haben (Aussonderungsprüffrist sind 10 Jahre) sowie
Daten von Menschen, die mit Visum in die BRD eingereist sind.

Es
wird vom [[Datenbanken des Bundesverwaltungsamts|Bundesverwaltungsamt]]
(BVA)
in Köln für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betrieben
([[https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/azr_node.html|BVA über AZR]]).

Einträge im AZR sind über [[INPOL]] recherchierbar.

Das AZR hat seine Wurzeln in der Ausländerzentralkartei, die deutsche
Behörden (mit einer Unterbrechung 1945 bis 1953) seit 1938 führen.
Schon 1967 wurde die für damalige Verhältnisse riesige Datensammlung in
Rechner überführt, lange vor vergleichbaren Entwicklungen im
Polizeisektor, der sich erst in den 70er Jahren Richtung EDV bewegte.

Das Bundesverwaltungsamt bekam 2006 für das AZR den Big Brother Award
für sein Lebenswerk; die
[[http://www.bigbrotherawards.de/2000/.life|Laudatio von Thilo Weichert]]
ist eine lesenswerte Einführung in die Materie.

Die Leute, die das AZR betreiben, betreiben auch ein separates, zentrales Register für „Drittstaaten-Ausländervereine“, die speziell beobachtet werden, um rechtzeitig „Verbotsgründe aus Art. 9 Abs. 2 GG sowie die spezifischen Verbotsgründe aus § 14 Abs. 2 Vereinsgesetz“ zu finden (Zitate aus [[https://www.bva.bund.de/SharedDocs/Aufgaben/DE/A/auslaendervereinsregister.html|BVA zum AVR 2021]]).

Diese Praxis wurde bereits seit langem als rechtswidrig und willkürlich eingeschätzt. 2022 schloss sich auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages dieser Einschätzung an. Das Innenministerium kündigte an, den entsprechenden Erlass (vom Burschenschaftler Manfred Kanther zu veranworten) aus dem Jahr 1994 überprüfen zu wollen ([[https://netzpolitik.org/2022/bka-und-verfassungsschutz-anlasslose-uebermittlung-kurdischer-vereinsdaten-ist-rechtswidrig/|netzpolitik.org am 19.7.2022]]).
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Das AZR wird im [[http://www.gesetze-im-internet.de/azrg/index.html|Gesetz über das Ausländerzentralregister]] geregelt. Bezüglich
EU-BürgerInnen wurde das Gesetz 2008
[[http://www.heise.de/newsticker/Deutsche-Auslaenderdatei-diskriminiert-Europaeer--/meldung/120610|vom EuGH als gegen Gemeinschaftsrecht verstoßend]] beurteilt. Vor Verabschiedung
des AZRG wurde das Register bzw. seine Vorgängersysteme 40 Jahre lang ohne
gesetzliche Grundlage betrieben.
Das AZR hat seine Wurzeln in der unter der Nazi-Regierung in den späten
1930er Jahren erlassenen Ausländerpolizeiverordnung. Die spätere Datei
wurde im Wesentlichen ohne Rechtsgrundlage betrieben, was 1983 vom
Bundesverfassungsgericht gerügt wurde. Dennoch wurde das System munter
weiterbetrieben, bis 1994 das Ausländerzentralregistergesetz AZRG einen
Rechtsrahmen schuf. Dieser Rechtsrahmen wurde wiederum 2008
[[http://www.heise.de/newsticker/Deutsche-Auslaenderdatei-diskriminiert-Europaeer--/meldung/120610|vom EuGH als gegen Gemeinschaftsrecht verstoßend]]
beurteilt, weil er der Freizügigkeit innerhalb der EU nicht Rechnung
trug. 2012 rang sich der Gesetzgeber eine von starken Vorbehalten der
Behörden gezeichnete Revision des AZRG ab, die die Speicherung und
Nutzung von Daten von EU-Bürger_innen etwas einschränkte.

Das Ergebnis ist das
[[http://www.gesetze-im-internet.de/azrg|Gesetz über das Ausländerzentralregister]].
Im Vergleich zu analogen Dateien fallen zahlreiche eher haarsträubende
Regelungen auf, so etwa eine „Gruppenauskunft”, über die regelmäßig eine
„Mehrzahl von Ausländern” (§12) abgefragt werden kann, sowie mindestens
11 Paragraphen, die Datenübermittlungen an eine große Zahl öffentlicher und
nichtöffentlicher Stellen erlauben.
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Im AZR waren 2010 laut BVA 20.4 Millionen personenbezogene Datensätze
gespeichert (1999: über 11 Millionen), was es zur Einschätzung brachte,
es handele sich um "eines der großen automatisierten Register der öffentlichen
Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland". In §2 AZR werden derzeit 16
Tatbestände aufgezählt, die eine Speicherung rechtfertigen. Neben dem
nicht nur vorübergehenden Aufenthalt sind das u.a.
Laut Angaben des Bundesverwaltungsamts enthielt das AZR:

||1999||11 Millionen||
||2010||20.4 Millionen||
||2015||26 Millionen||

personenbezogene Datensätze. Auch im Jahr 2023 nennt das BVA auf https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/azr_node.html immer noch die 26 Millionen; das dürfte aber nicht die reale Entwicklung der Datenbank spiegeln, sondern eher die Sorgfalt bei der Pflege der Webseiten.

Das bring das BVA zur Einschätzung bringt,
es handele sich um "eines der ganz großen automatisierten Register der
öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland, mit einer
Systemstabilität und -sicherheit, die keinen Vergleich zu scheuen braucht"
([[http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_S/AZR/azr-inhalt.html|BVA zu AZR 2015]]).

Nach
[[http://www.bigbrotherawards.de/2000/.life|Schätzung des LfD von Schleswig-Holstein]]
bezogen sich diese 2006 auf über 10 Millionen Personen.

Zusätzlich zum primären Speicherungsgrund (längerer Aufenthalt in der
BRD) zählt §2 (2) AZR in derzeit 14 Fallgruppen zahlreiche
Tatbestände aufgezählt, die eine Speicherung auch für Menschen
rechtfertigen, auch wenn die Personen sich gar nicht mehr in der BRD
befinden, etwa:
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 * Hat Aufenthaltserlaubnis
 * Verdacht auf Staatsfeind, Wehrkraftzersetzer
 * falsche Volksdeutsche (als Spätaussiedler abgelehnt)
 * Hat einen Aufenthaltstitel irgendeiner Art beantragt (unabhängig vom Erfolg)
 * Bestehen von „öffentlich-rechtlichen Geldforderungen”
 * Im Groben Formulierungen nach Artikel 96 bis 99 SDÜ (vgl. [[SIS]]), so dass vermutlich eine Ausschreibung in SIS auch einen Eintrag im AZR nach sich zieht.
 * Politische Betätigung, die von der §129 StGB-Familie abgedeckt wird, Planung von "staatsgefährdenden Gewalttaten"
 * Betäubungsmittelgeschichten, Fluchthilfe
 * Wurde abgeschoben
 * Falscher Volksdeutscher („Feststellung der Aussiedlereigenschaft [...] abgelehnt oder zurückgenommen”)
Zeile 35: Zeile 91:
 * Im Groben Formulierungen nach Artikel 96 bis 99 SDÜ (vgl. [[SIS]]), so dass
   vermutlich eine Ausschreibung in SIS auch einen Eintrag im AZR nach sich
   zieht.
 * Abgeschoben
 * Einbürgerung abgelehnt
 * War Flüchtling („ohne den erforderlichen Pass [...] bei der Einreise nicht zurückgewiesen” wegen politischer Verfolgung)

EU-Bürger_innen haben einen etwas kleineren Katalog; interessanterweise ist
aber der schlichte Aufenthalt auch für sie noch Speichergrund; dafür ist
für sie, soweit sie ihre Freizügigkeit nicht verwirkt haben, die
Datenübertragung relativ stark eingeschränkt.
Zeile 42: Zeile 101:
 * Die AZR-Nummer
Zeile 43: Zeile 103:
 * Grundpersonalien plus Aliase etc  * Grundpersonalien plus Aliase etc, Daten zu Identitätsdokumenten
Zeile 45: Zeile 105:
 * Familienstand, letzter Wohnort "im Herkunftsland", "freiwillig" Religionszugehörigkeit, Daten zu Ehepartner``Innen  * ausländerrechtlicher Status, Entscheidungen dazu
 * Familienstand, letzter Wohnort "im Herkunftsland", "freiwillig" Religionszugehörigkeit, Daten zu Ehepartner_innen
 * Angaben zu Wohorten, Ein- und Ausreisen
 * Hinweise/Angaben zu weiteren behördlichen Entscheidungen (z.B. BA für Arbeit, Polizeien)
 * Quellen (meldende Behörde, Aktenzeichen dort)
 * Hinweise auf Begründungstexte
Zeile 47: Zeile 112:
 * Hinweise/Angaben zu behördlichen Entscheidungen (BA für Arbeit, AusländerInnenbehörden, etc)
 * Quelle (Behörde, Aktenzeichen)

Auf das AZR greifen nach Auskunft der BVA "mehr als 6500 Partnerbehörden" zu:
"Es dient den Verwaltungsbehörden zur Erfüllung von Aufgaben im ausländer- und
asylrechtlichen Bereich, hat Unterstützungsfunktion als Instrument der inneren
Sicherheit und wird für ausländerpolitische Planungen sowie für die Ermittlung
steuerungsrelevanter Größen verwendet." Insbesondere kann wohl praktisch alle
Polizei-EDV mehr oder minder direkt in AZR suchen; für NIVADIS (vgl.
[[Datenbanken Niedersachsen]] ist das so publiziert). Ggf. können Gespeicherte
versuchen, unter Hinweis auf "schutzwürdige[n] Interessen oder die einer
anderen Person" eine Übermittlungssperre zu erwirken (§4). Unterhalb einer
Einbürgerung ist eine Löschung wohl aussichtlos, solange mensch in der BRD
lebt und kein rechtsgerichteter Ex-Diktator ist.

Ein [[http://www.bundesrat.de/Site/Inhalt/DE/3_20Konferenzen/3.2_20Innenminister-Konferenz/3.2.5_20Beschl_C3_BCsse_20und_20Berichte/3.2.5.1_20Sitzung_20vom_2021.11.2003/NI/Beschl_C3_BCsse,property=Dokument.pdf|Beschluss der Innenministerkonferenz von 2003]] zur Bereinigung dieser Daten legt nahe,
dass die Inhalte des AZR eher heterogene Qualität haben.

== Big Brother Award ==

Das Bundesverwaltungsamt bekam 2006 für das AZR den [[http://www.bigbrotherawards.de/2000/.life?set_language=de|Big Brother Award]](Laudatio) für sein Lebenswerk.

Für EU-Bürger_innen wird ein schmalerer Datensatz gespeichert;
insbesondere entfällt das Foto.

Die Daten werden üblicherweise von den meisten teilnehmenden Behörden
direkt im AZR gespeichert (§7 AZRG). Das BAMF hat keine Verpflichtung,
die Richtigkeit oder Zulässigkeit dieser Speicherungen zu prüfen (§8
AZRG).

Forderungen, das AZR solle auch Fingerabdrücke enthalten, wie sie
nichtdeutschen Menschen inzwischen regelmäßig abgenommen werden (vgl. etwa
[[http://www.heise.de/newsticker/meldung/90908|Heise online-Artikel von 2007]]),
bekamen neuen Schwung, nachdem der "Elektronische Aufenthaltstitel",
eine dem elektronischen Personalausweis ähnliche Identifikation
für AusländerInnen, jetzt zwingend Fingerabdrücke speichert. Immerhin
hält der BfDI nicht viel von der Aufnahme dieser Daten ins AZR
(Erklärung im <<Doclink(2011-BfDI-TB23.pdf,23. TB (2011))>>, 8.2.2, S. 97f).

== Telnehmende Behörden ==

Zur Anlieferung ins AZR sind nach §6 AZRG verpflichtet:

 * Die Ausländerbehörden, Staatsangehörigkeitsbehörden und Behörden für Spätaussiedler
 * Die Grenzbehörden
 * Das BAMF
 * Alle Polizeien
 * Staatsanwaltschaften und Gerichte
 * Verfassungsschutz

In den meisten Fällen gibt es dabei Opportunitätserwägungen; so dürfen
insbesondere die VS-Behörden nach Gutdünken operieren, und Polizeien
dürfen Ermittlungen geheimhalten.

Lesend auf das AZR greifen nach Auskunft der BVA "mehr als 8500
Partnerbehörden" (2015; 2007: 6500) „mit weit über 100.000 Nutzern” zu ([[http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_S/AZR/azr-inhalt.html|BVA 2015]]). 2021 [[https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/azr_node.html|spricht das BVA]] immer noch von „weit über 100.000 Nutzerinnen und Nutzern“, aber inzwischen von 14.000 „Partnerbehörden und Organisationen“.
Dabei sind 2016 rund 32 Millionen Anfragen („Geschäftsvorfälle” in der Sprache
des BVA) -- etwa eine pro Sekunde -- gestellt worden. 2021 spricht das BVA von „bis zu 100 Millionen Geschäftsvorfällen“.


Insbesondere kann praktisch
alle Polizei-EDV mehr oder minder direkt in AZR suchen. Weitere
Behörden, deren Zugriff explizit geregelt ist (§§15-21, 25-27 AZRG):

 * Luftsicherheitsbehörden
 * atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden
 * oberste Bundes- und Landesbehörden
 * Bundesagentur für Arbeit (Grunddaten, Aufenthaltsstatus und diesbezügliche Entscheidungen)
 * Zollverwaltung (in Sachen Arbeitsmigration)
 * Träger von Sozialhilfe bzw. Asylbwerberleistungen (wie BA Arbeit)
 * Staatsangehörigkeits- und Vertriebenenbehörden
 * Visabehörden (Außenministerium, Botschaften, Konsulate usf)
 * Die obersten Stellen des Bundes und der Länder (damit diese planen können)
 * Nichtöffentliche Stellen mit „humanitären oder sozialen Aufgaben” etwa zur Familienzusammenführung, in Vormundschafts- und Unterhaltsangelegenheiten (Grunddaten, Foto, aktenführende Behörde, Umzüge, Übermittlungssperren, Sterbedatum); diese dürfen einen ggf. erhaltenen Aufenthaltsort nur mit Zustimmung des Betroffenen an Dritte weitergeben.
 * Behörden anderer Staaten, internationale Organisationen (das ist in §26 AZRG durch einige Verweise auf das BDSG erstaunlich kurz abgehandelt. Details zur tatsächlichen Praxis wären willkommen.
 * Beliebige nichtöffentliche Stellen in Vollstreckungssachen oder gerichtliche bzw. behördliche Aufforderungen; idR muss der Betroffene vor der Übermittlung gehört werden
 * AZR-Daten werden ohne Namen ein Mal pro Jahr und zusätzlich bei Bedarf
an das statistische Bundesamt geschickt, das sie nach Gutdünken an die
Landesämter weitergeben darf.

Es wäre vermutlich einfacher gewesen, aufzuzählen, welche Behörden
keinen Zugriff auf das AZR haben. Möglicherweise hat der Gesetzgeber
diesen Weg nicht gewählt, weil so sichtbar geworden wäre, dass im Groben
nur die Landesämter für Archäologie und die Oberschulämter das AZR nicht
lesen können.

Gesucht werden kann nach Grundpersonalien, AZR-Nummer oder Angaben zu
Ausweisen bzw. Aufenthaltstiteln.. Beeindruckendes Extragimmick: "Bei
Zweifeln an der Identität des Ausländers kann, außer bei Unionsbürgern,
das Ersuchen auch nur mit Lichtbild gestellt werden" (§10 (2) AZRG).
Aufschluss zu technischen Details zur Bildsuche wären willkommen.

== Gruppenauskunft ==

§12 AZRG erlaubt explizit, Anfragen zu stellen, die eine „Mehrzahl” von
Menschen betrifft; entsprechende Regelungen gibt es nach unserer
Kenntnis in keinem anderen Gesetz zur Errichtung von Datenbanken im
Repressionssektor. Die Gruppenauskunft soll dienen zur „Abwehr von
Gefahren für die öffentliches Sicherheit” (etc), also nach Gutdünken der
Polizeien, zur „zur Verfolgung eines Verbrechens oder einer anderen
erheblichen Straftat” (mit einer milden Einschränkung auf
gewohnheitsmäßiges oder bandenmäßiges Begehen etwa analog zur
DNA-Analyse) oder für was immer der BND so tut. Entsprechend ist
Gruppenauskunft beschränkt auf Polizeien, Geheimdienste und die Justiz.

== Suchvermerke ==

Das AZR dient auch als informelles Fahndungsinstrument. Das BKA oder
Geheimdienste können weitgehend voraussetzungslos (insbesondere ohne
Beteiligung von Gerichten und ohne erkennbare Rechtsschutzmöglichkeiten
für die Opfer) „Suchvermerke” (§5 AZRG) vornehmen. Die ausschreibende
Behörde wird dann von jeder Speicherung oder Abfrage in Kenntnis
gesetzt.

== Übermittlungssperren ==

Zu den besonders perfiden Aspekten des AZR zählt, dass die Daten weit
gestreut werden, insbesondere an Polizeien, aber auch an die BA für
Arbeit, die Geheimdienste, Visabehörden, das rote Kreuz usf. Dazu
treten Behörden anderer Staaten (§26 AZR).

Zumindest gegen Übertragungen an nichtstaatliche Stellen sowie Behörden
anderer Staaten können Betroffene vielleicht etwas tun. §5 AZR sieht
vor, dass auf Antrag beim BAMF eine Übermittlungssperre eingerichtet
werden kann, wenn der/die Betroffene „glaubhaft macht, daß durch eine
Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen, an Behörden anderer
Staaten oder an zwischenstaatliche Stellen seine schutzwürdigen
Interessen oder die einer anderen Person beeinträchtigt werden können.”

Wir haben keine Erfahrungen, was als „Interessen” anerkannt wird; es
wäre interessant, vom BAMF bestätigt zu bekommen, dass informationelle
Selbstbestimmung kein schutzwürdiges Interesse darstellt.

Gegen den alltäglichen Eingriff die Menschenrechte der Gespeicherten
helfen die Übermittlungssperren aber ohnehin nicht: Wenn nicht ein
„überwiegendes öffentliches Interesse” (§4 (2)) besteht (also der
Betroffene etwa Geheimagent eine befreundeten Staates oder
rechtsmotivierter Diktator ist), wirken sie nicht gegen Übermittlungen
an Behörden der BRD, und wenn ein „überwiegendes öffentliches Interesse”
an der Übermittlung (§4 (3)) besteht (was z.B. bei politischer
Betätigung immer der Fall sein dürfte) wird auch trotz Sperre
übermittelt.

== Datenschutz ==

Nach §13 AZRG werden alle Zugriffe auf das AZR geloggt und sollen bei
Auskünften auch mitgeteilt werden.

Das Auskunftsrecht aus dem AZR ist in §34 geregelt, und glücklicherweise
erteilt das BAMF Auskunft über alle gespeicherten Daten unabhängig von
deren Quelle. Auskunft über Daten von Geheimdiensten und Polizeien oder
Übermittlungen an diese bedürfen aber der Zustimmung dieser.
Andererseits müssen bei Verweigerung der Auskunft die üblichen
Verweigerungsgründe (Erfüllung der Aufgaben bla Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit blabla überwiegendes Interesse von Dritten)
konstruiert werden. Das kann übrigens auch das BAMF selbst tun, wenn es
Auskunft verweigern will.

Vor der DSGVO hatte das BVA ein extra-ätzendes Auskunftsverfahren. Das
ist trotz fast rechtsstaatlich aussehender
[[https://www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufgaben/S/AZR/azr_selbstauskunft_datenschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=1|Artikel 13-Erklärung]]
auch nicht viel besser geworden; entweder fahrt ihr nach Köln oder ihr
besorgt euch eine Beglaubigung:
https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/auskunft/auskunft_node.html
– wegen dieses Ärgers fehlt das AZR auch im Auskunftsgenerator.

Die Speicherfrist im AZR richtet sich im Prinzip nach der kürzesten
Frist der jeweils einliefernden Behörden; in der Praxis dürften Daten
immer mindestens zehn Jahre nach dem Erlöschen des Speichergrundes
(etwa durch Tod, Aus- oder Abreise) gespeichert bleiben. Eine Ausnahme
sind Einbürgerungen, bei denen (§36 (2) AZRG) sofort gelöscht werden
muss.

== Skandale ==

=== EU-Recht ist wurst ===

Im <<Doclink(2011-BfDI-TB23.pdf,23. TB des BfDI (2011))>>
wird berichtet (8.2.1, S. 97), das EuGH-Urteil C-524/06 vom 16.12.2008, nach dem
das volle AZR-Programm die Rechte von EU-BürgerInnen massiv verletzt,
sei vom Bundesverwaltungsamt insbesondere im "automatisierten Abrufverfahren
und damit für einen Großteil der Abrufe" ignoriert worden; es seien auch
bestehende Suchvermerke nicht gelöscht worden, was das AZR weiter als
Sonderinstrument gegen straffällige AusländerInnen wirken lässt.
Der BfDI leitet daraus ab, im (damals) laufenden Gesetzgebungsverfahren zu
einer Überarbeitung der AZR-Regularien sei

{{{#!blockquote
sowohl de[r] Umfang der im AZR gespeicherten Daten zu
Unionsbürgern deutlich zu reduzieren als auch die Übermittlung dieser Daten ausschließlich zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken und nur an die in diesem Bereich zuständigen Behörden zuzulassen.
}}}

Die Bundesregierung ließ sich Zeit mit der Umsetzung und vergurkte einen ersten
Anlauf. 2012 kam dann eine Änderung des AZRG, das zwischen
Freizügigkeitsberechnigten und -nichtberechtigten unterscheidet. Da aus dem
AZR eifrig in andere Dateien übertragen wurde und wird, ergab sich dann das
Problem, nach einer Einbürgerung all diese dann unzulässigen Speicherungen zu
löschen. Eine Lösung lag ausweislich
<<Doclink(2015-bfdi-tb.pdf, 25. TB BfDI (2015))>> (S. 107) auch
2014 noch nicht vor.
Zeile 73: Zeile 296:
 * [[http://www.heise.de/newsticker/meldung/90908|AZR soll auch Fingerabdrücke speichern]], Heise online, 2007
Zeile 75: Zeile 297:
 * Bereits 1986 [[https://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/Zorn/Zorn47.html#4|erklärten die Revolutionären Zellen]] nach einem Anschlag auf das AZR: „On-line mit dem gesamten Exekutiv- und Verwaltungsapparat, ohne Auskunftssperren, ohne Löschfristen, gewinnt das AZR als vollkommen unlimitiertes Zweitdepot all dieser institutionellen Datenbänke eine immens strategische Bedeutung.”

Ausländerzentralregister (AZR)

Das Ausländerzentralregister ist eine der [[Datenbanken gegen MigrantInnen]]. Es enthält Personalien, Wohnsitze, Aufenthaltsverfügungen sowie weitere Daten von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die sich nicht nur vorübergehend (die Grenze verläuft irgendwo bei drei Monaten) in der BRD aufhalten oder aufgehalten haben (Aussonderungsprüffrist sind 10 Jahre) sowie Daten von Menschen, die mit Visum in die BRD eingereist sind.

Es wird vom Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betrieben (BVA über AZR).

Einträge im AZR sind über INPOL recherchierbar.

Das AZR hat seine Wurzeln in der Ausländerzentralkartei, die deutsche Behörden (mit einer Unterbrechung 1945 bis 1953) seit 1938 führen. Schon 1967 wurde die für damalige Verhältnisse riesige Datensammlung in Rechner überführt, lange vor vergleichbaren Entwicklungen im Polizeisektor, der sich erst in den 70er Jahren Richtung EDV bewegte.

Das Bundesverwaltungsamt bekam 2006 für das AZR den Big Brother Award für sein Lebenswerk; die Laudatio von Thilo Weichert ist eine lesenswerte Einführung in die Materie.

Die Leute, die das AZR betreiben, betreiben auch ein separates, zentrales Register für „Drittstaaten-Ausländervereine“, die speziell beobachtet werden, um rechtzeitig „Verbotsgründe aus Art. 9 Abs. 2 GG sowie die spezifischen Verbotsgründe aus § 14 Abs. 2 Vereinsgesetz“ zu finden (Zitate aus BVA zum AVR 2021).

Diese Praxis wurde bereits seit langem als rechtswidrig und willkürlich eingeschätzt. 2022 schloss sich auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages dieser Einschätzung an. Das Innenministerium kündigte an, den entsprechenden Erlass (vom Burschenschaftler Manfred Kanther zu veranworten) aus dem Jahr 1994 überprüfen zu wollen (netzpolitik.org am 19.7.2022).

Rechtsgrundlage

Das AZR hat seine Wurzeln in der unter der Nazi-Regierung in den späten 1930er Jahren erlassenen Ausländerpolizeiverordnung. Die spätere Datei wurde im Wesentlichen ohne Rechtsgrundlage betrieben, was 1983 vom Bundesverfassungsgericht gerügt wurde. Dennoch wurde das System munter weiterbetrieben, bis 1994 das Ausländerzentralregistergesetz AZRG einen Rechtsrahmen schuf. Dieser Rechtsrahmen wurde wiederum 2008 vom EuGH als gegen Gemeinschaftsrecht verstoßend beurteilt, weil er der Freizügigkeit innerhalb der EU nicht Rechnung trug. 2012 rang sich der Gesetzgeber eine von starken Vorbehalten der Behörden gezeichnete Revision des AZRG ab, die die Speicherung und Nutzung von Daten von EU-Bürger_innen etwas einschränkte.

Das Ergebnis ist das Gesetz über das Ausländerzentralregister. Im Vergleich zu analogen Dateien fallen zahlreiche eher haarsträubende Regelungen auf, so etwa eine „Gruppenauskunft”, über die regelmäßig eine „Mehrzahl von Ausländern” (§12) abgefragt werden kann, sowie mindestens 11 Paragraphen, die Datenübermittlungen an eine große Zahl öffentlicher und nichtöffentlicher Stellen erlauben.

Inhalt des AZR

Laut Angaben des Bundesverwaltungsamts enthielt das AZR:

1999

11 Millionen

2010

20.4 Millionen

2015

26 Millionen

personenbezogene Datensätze. Auch im Jahr 2023 nennt das BVA auf https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/azr_node.html immer noch die 26 Millionen; das dürfte aber nicht die reale Entwicklung der Datenbank spiegeln, sondern eher die Sorgfalt bei der Pflege der Webseiten.

Das bring das BVA zur Einschätzung bringt, es handele sich um "eines der ganz großen automatisierten Register der öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland, mit einer Systemstabilität und -sicherheit, die keinen Vergleich zu scheuen braucht" (BVA zu AZR 2015).

Nach Schätzung des LfD von Schleswig-Holstein bezogen sich diese 2006 auf über 10 Millionen Personen.

Zusätzlich zum primären Speicherungsgrund (längerer Aufenthalt in der BRD) zählt §2 (2) AZR in derzeit 14 Fallgruppen zahlreiche Tatbestände aufgezählt, die eine Speicherung auch für Menschen rechtfertigen, auch wenn die Personen sich gar nicht mehr in der BRD befinden, etwa:

  • Asylantrag gestellt (vermutlich enthält das AZR also einen Teil von EURODAC

  • Hat einen Aufenthaltstitel irgendeiner Art beantragt (unabhängig vom Erfolg)
  • Bestehen von „öffentlich-rechtlichen Geldforderungen”
  • Im Groben Formulierungen nach Artikel 96 bis 99 SDÜ (vgl. SIS), so dass vermutlich eine Ausschreibung in SIS auch einen Eintrag im AZR nach sich zieht.

  • Politische Betätigung, die von der §129 StGB-Familie abgedeckt wird, Planung von "staatsgefährdenden Gewalttaten"
  • Betäubungsmittelgeschichten, Fluchthilfe
  • Wurde abgeschoben
  • Falscher Volksdeutscher („Feststellung der Aussiedlereigenschaft [...] abgelehnt oder zurückgenommen”)
  • An oder durch die BRD ausgeliefert
  • Einbürgerung abgelehnt
  • War Flüchtling („ohne den erforderlichen Pass [...] bei der Einreise nicht zurückgewiesen” wegen politischer Verfolgung)

EU-Bürger_innen haben einen etwas kleineren Katalog; interessanterweise ist aber der schlichte Aufenthalt auch für sie noch Speichergrund; dafür ist für sie, soweit sie ihre Freizügigkeit nicht verwirkt haben, die Datenübertragung relativ stark eingeschränkt.

§3 AZR regelt, dass zu Personen gespeichert werden kann:

  • Die AZR-Nummer
  • Speichergrund (Tatbestand nach §2)
  • Grundpersonalien plus Aliase etc, Daten zu Identitätsdokumenten
  • Foto
  • ausländerrechtlicher Status, Entscheidungen dazu
  • Familienstand, letzter Wohnort "im Herkunftsland", "freiwillig" Religionszugehörigkeit, Daten zu Ehepartner_innen
  • Angaben zu Wohorten, Ein- und Ausreisen
  • Hinweise/Angaben zu weiteren behördlichen Entscheidungen (z.B. BA für Arbeit, Polizeien)
  • Quellen (meldende Behörde, Aktenzeichen dort)
  • Hinweise auf Begründungstexte
  • Sterbedatum

Für EU-Bürger_innen wird ein schmalerer Datensatz gespeichert; insbesondere entfällt das Foto.

Die Daten werden üblicherweise von den meisten teilnehmenden Behörden direkt im AZR gespeichert (§7 AZRG). Das BAMF hat keine Verpflichtung, die Richtigkeit oder Zulässigkeit dieser Speicherungen zu prüfen (§8 AZRG).

Forderungen, das AZR solle auch Fingerabdrücke enthalten, wie sie nichtdeutschen Menschen inzwischen regelmäßig abgenommen werden (vgl. etwa Heise online-Artikel von 2007), bekamen neuen Schwung, nachdem der "Elektronische Aufenthaltstitel", eine dem elektronischen Personalausweis ähnliche Identifikation für AusländerInnen, jetzt zwingend Fingerabdrücke speichert. Immerhin hält der BfDI nicht viel von der Aufnahme dieser Daten ins AZR (Erklärung im 23. TB (2011), 8.2.2, S. 97f).

Telnehmende Behörden

Zur Anlieferung ins AZR sind nach §6 AZRG verpflichtet:

  • Die Ausländerbehörden, Staatsangehörigkeitsbehörden und Behörden für Spätaussiedler
  • Die Grenzbehörden
  • Das BAMF
  • Alle Polizeien
  • Staatsanwaltschaften und Gerichte
  • Verfassungsschutz

In den meisten Fällen gibt es dabei Opportunitätserwägungen; so dürfen insbesondere die VS-Behörden nach Gutdünken operieren, und Polizeien dürfen Ermittlungen geheimhalten.

Lesend auf das AZR greifen nach Auskunft der BVA "mehr als 8500 Partnerbehörden" (2015; 2007: 6500) „mit weit über 100.000 Nutzern” zu (BVA 2015). 2021 spricht das BVA immer noch von „weit über 100.000 Nutzerinnen und Nutzern“, aber inzwischen von 14.000 „Partnerbehörden und Organisationen“. Dabei sind 2016 rund 32 Millionen Anfragen („Geschäftsvorfälle” in der Sprache des BVA) -- etwa eine pro Sekunde -- gestellt worden. 2021 spricht das BVA von „bis zu 100 Millionen Geschäftsvorfällen“.

Insbesondere kann praktisch alle Polizei-EDV mehr oder minder direkt in AZR suchen. Weitere Behörden, deren Zugriff explizit geregelt ist (§§15-21, 25-27 AZRG):

  • Luftsicherheitsbehörden
  • atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden
  • oberste Bundes- und Landesbehörden
  • Bundesagentur für Arbeit (Grunddaten, Aufenthaltsstatus und diesbezügliche Entscheidungen)
  • Zollverwaltung (in Sachen Arbeitsmigration)
  • Träger von Sozialhilfe bzw. Asylbwerberleistungen (wie BA Arbeit)
  • Staatsangehörigkeits- und Vertriebenenbehörden
  • Visabehörden (Außenministerium, Botschaften, Konsulate usf)
  • Die obersten Stellen des Bundes und der Länder (damit diese planen können)
  • Nichtöffentliche Stellen mit „humanitären oder sozialen Aufgaben” etwa zur Familienzusammenführung, in Vormundschafts- und Unterhaltsangelegenheiten (Grunddaten, Foto, aktenführende Behörde, Umzüge, Übermittlungssperren, Sterbedatum); diese dürfen einen ggf. erhaltenen Aufenthaltsort nur mit Zustimmung des Betroffenen an Dritte weitergeben.
  • Behörden anderer Staaten, internationale Organisationen (das ist in §26 AZRG durch einige Verweise auf das BDSG erstaunlich kurz abgehandelt. Details zur tatsächlichen Praxis wären willkommen.
  • Beliebige nichtöffentliche Stellen in Vollstreckungssachen oder gerichtliche bzw. behördliche Aufforderungen; idR muss der Betroffene vor der Übermittlung gehört werden
  • AZR-Daten werden ohne Namen ein Mal pro Jahr und zusätzlich bei Bedarf

an das statistische Bundesamt geschickt, das sie nach Gutdünken an die Landesämter weitergeben darf.

Es wäre vermutlich einfacher gewesen, aufzuzählen, welche Behörden keinen Zugriff auf das AZR haben. Möglicherweise hat der Gesetzgeber diesen Weg nicht gewählt, weil so sichtbar geworden wäre, dass im Groben nur die Landesämter für Archäologie und die Oberschulämter das AZR nicht lesen können.

Gesucht werden kann nach Grundpersonalien, AZR-Nummer oder Angaben zu Ausweisen bzw. Aufenthaltstiteln.. Beeindruckendes Extragimmick: "Bei Zweifeln an der Identität des Ausländers kann, außer bei Unionsbürgern, das Ersuchen auch nur mit Lichtbild gestellt werden" (§10 (2) AZRG). Aufschluss zu technischen Details zur Bildsuche wären willkommen.

Gruppenauskunft

§12 AZRG erlaubt explizit, Anfragen zu stellen, die eine „Mehrzahl” von Menschen betrifft; entsprechende Regelungen gibt es nach unserer Kenntnis in keinem anderen Gesetz zur Errichtung von Datenbanken im Repressionssektor. Die Gruppenauskunft soll dienen zur „Abwehr von Gefahren für die öffentliches Sicherheit” (etc), also nach Gutdünken der Polizeien, zur „zur Verfolgung eines Verbrechens oder einer anderen erheblichen Straftat” (mit einer milden Einschränkung auf gewohnheitsmäßiges oder bandenmäßiges Begehen etwa analog zur DNA-Analyse) oder für was immer der BND so tut. Entsprechend ist Gruppenauskunft beschränkt auf Polizeien, Geheimdienste und die Justiz.

Suchvermerke

Das AZR dient auch als informelles Fahndungsinstrument. Das BKA oder Geheimdienste können weitgehend voraussetzungslos (insbesondere ohne Beteiligung von Gerichten und ohne erkennbare Rechtsschutzmöglichkeiten für die Opfer) „Suchvermerke” (§5 AZRG) vornehmen. Die ausschreibende Behörde wird dann von jeder Speicherung oder Abfrage in Kenntnis gesetzt.

Übermittlungssperren

Zu den besonders perfiden Aspekten des AZR zählt, dass die Daten weit gestreut werden, insbesondere an Polizeien, aber auch an die BA für Arbeit, die Geheimdienste, Visabehörden, das rote Kreuz usf. Dazu treten Behörden anderer Staaten (§26 AZR).

Zumindest gegen Übertragungen an nichtstaatliche Stellen sowie Behörden anderer Staaten können Betroffene vielleicht etwas tun. §5 AZR sieht vor, dass auf Antrag beim BAMF eine Übermittlungssperre eingerichtet werden kann, wenn der/die Betroffene „glaubhaft macht, daß durch eine Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen, an Behörden anderer Staaten oder an zwischenstaatliche Stellen seine schutzwürdigen Interessen oder die einer anderen Person beeinträchtigt werden können.”

Wir haben keine Erfahrungen, was als „Interessen” anerkannt wird; es wäre interessant, vom BAMF bestätigt zu bekommen, dass informationelle Selbstbestimmung kein schutzwürdiges Interesse darstellt.

Gegen den alltäglichen Eingriff die Menschenrechte der Gespeicherten helfen die Übermittlungssperren aber ohnehin nicht: Wenn nicht ein „überwiegendes öffentliches Interesse” (§4 (2)) besteht (also der Betroffene etwa Geheimagent eine befreundeten Staates oder rechtsmotivierter Diktator ist), wirken sie nicht gegen Übermittlungen an Behörden der BRD, und wenn ein „überwiegendes öffentliches Interesse” an der Übermittlung (§4 (3)) besteht (was z.B. bei politischer Betätigung immer der Fall sein dürfte) wird auch trotz Sperre übermittelt.

Datenschutz

Nach §13 AZRG werden alle Zugriffe auf das AZR geloggt und sollen bei Auskünften auch mitgeteilt werden.

Das Auskunftsrecht aus dem AZR ist in §34 geregelt, und glücklicherweise erteilt das BAMF Auskunft über alle gespeicherten Daten unabhängig von deren Quelle. Auskunft über Daten von Geheimdiensten und Polizeien oder Übermittlungen an diese bedürfen aber der Zustimmung dieser. Andererseits müssen bei Verweigerung der Auskunft die üblichen Verweigerungsgründe (Erfüllung der Aufgaben bla Gefährdung der öffentlichen Sicherheit blabla überwiegendes Interesse von Dritten) konstruiert werden. Das kann übrigens auch das BAMF selbst tun, wenn es Auskunft verweigern will.

Vor der DSGVO hatte das BVA ein extra-ätzendes Auskunftsverfahren. Das ist trotz fast rechtsstaatlich aussehender Artikel 13-Erklärung auch nicht viel besser geworden; entweder fahrt ihr nach Köln oder ihr besorgt euch eine Beglaubigung: https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/auskunft/auskunft_node.html – wegen dieses Ärgers fehlt das AZR auch im Auskunftsgenerator.

Die Speicherfrist im AZR richtet sich im Prinzip nach der kürzesten Frist der jeweils einliefernden Behörden; in der Praxis dürften Daten immer mindestens zehn Jahre nach dem Erlöschen des Speichergrundes (etwa durch Tod, Aus- oder Abreise) gespeichert bleiben. Eine Ausnahme sind Einbürgerungen, bei denen (§36 (2) AZRG) sofort gelöscht werden muss.

Skandale

EU-Recht ist wurst

Im 23. TB des BfDI (2011) wird berichtet (8.2.1, S. 97), das EuGH-Urteil C-524/06 vom 16.12.2008, nach dem das volle AZR-Programm die Rechte von EU-BürgerInnen massiv verletzt, sei vom Bundesverwaltungsamt insbesondere im "automatisierten Abrufverfahren und damit für einen Großteil der Abrufe" ignoriert worden; es seien auch bestehende Suchvermerke nicht gelöscht worden, was das AZR weiter als Sonderinstrument gegen straffällige AusländerInnen wirken lässt. Der BfDI leitet daraus ab, im (damals) laufenden Gesetzgebungsverfahren zu einer Überarbeitung der AZR-Regularien sei

sowohl de[r] Umfang der im AZR gespeicherten Daten zu Unionsbürgern deutlich zu reduzieren als auch die Übermittlung dieser Daten ausschließlich zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken und nur an die in diesem Bereich zuständigen Behörden zuzulassen.

Die Bundesregierung ließ sich Zeit mit der Umsetzung und vergurkte einen ersten Anlauf. 2012 kam dann eine Änderung des AZRG, das zwischen Freizügigkeitsberechnigten und -nichtberechtigten unterscheidet. Da aus dem AZR eifrig in andere Dateien übertragen wurde und wird, ergab sich dann das Problem, nach einer Einbürgerung all diese dann unzulässigen Speicherungen zu löschen. Eine Lösung lag ausweislich 25. TB BfDI (2015) (S. 107) auch 2014 noch nicht vor.

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