Revision 1 vom 2012-01-22 10:28:35

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Gerichtsvorbehalt oder (vor der Strafrechts-Genderisierung) Richtervorbehalt bezeichnet eine Regelung, in der ein polizeilicher Eingriff in Bürgerrechte in irgendeiner Weise von einer/m Richter_in begutachtet werden muss. In aller Regel resultieren Gerichtsvorbehalte aus dem Bewusstsein der Autor_innen von Gesetzen, ihre Regelungen seien eigentlich grundrechtswidrig, gepaart mit der Entschlossenheit, sie doch durchzusetzen.

Das größte Problem am Gerichtsvorbehalt ist, dass er weitgehend wirkungslos ist.

Berühmte Eingiffsbefugnisse mit Gerichtsvorbehalt sind etwa:

  • Abhören von Telefonen (§§100a/b StPO)
  • Funkzellenabfrage (§§100g/h StPO)
  • Hausdurchsuchung (§§102-110 StPO)
  • Erstellung von DNA-Profilen (§§81e/f StPO)

Analoge Regelungen im Bereich der Gefahrenabwehr, wie sie sich immer mehr in Polizeigesetze der Länder eingeschlichen haben, haben manchmal einen Gerichtsvorbehalt, manchmal dürfen schon Polizeipräsident_innen Maßnahmen anordnen, die nach StPO einem Gerichtsvorbehalt unterliegen.

Wirkungslosigkeit

Aus einer ganzen Reihe von Gründen können Gerichtsvorbehalte Grundrechtsverletzungen durch Gesetze weder verhindern noch auch nur mildern:

  • Mangelnde Sorgfalt der Gerichte
  • Gefahr-im-Verzug-Regelungen
  • Freiwilligkeitsklauseln

Gefahr-im-Verzug-Klauseln

Fast alle Gerichtsvorbehalte sind durch eine Gefahr-im-Verzug-Klausel weiter relativiert, die der Polizei einen Einsatz der fragwürdigen Mittel aus eigener Machtvollkommenheit (bzw. nach Anordnung der Staatsanwaltschaft) erlaubt. Zwar gibt es im Nachhinein Möglichkeiten zum Rechtsschutz, doch da ernsthafte Konsequenzen über ein Beweisverwertungsverbot für den (nicht unüblichen) Fall einer nachträglichen Missbilligung der Maßnahme nicht üblich sind, ist Gefahr-im-Verzug in Summe billig und wird insbesondere bei Hausdurchsuchungen breit eingesetzt.