Revision 4 vom 2006-10-28 10:02:41

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DNS-Auskunfts-Datei (DAD)

Eine Einführung in die Problematik der DAD ist in der Zeitung der Roten Hilfe 2/2005 erschienen (Link folgt).

Rechtsgrundlagen

Inhalt

Die DAD enthält "genetische Fingerabdrücke", eine geeignet kodierte Repräsentation ("Merkmal") von acht Abschnitten der DNA.

Die Einrichtungsanordnung legt für die Datensätze folgende Felder fest:

  • Identifizierungsmuster (die acht Merkmale)
  • Name, Geburtsdatum, Geburtsort der zugeordneten Person, alternativ Spurennummer und -bezeichnung für Tatortspuren
  • Tatvorwurf incl. nähere Bezeichnung der Straftaten (ob das Freitextfelder umfasst, ist nicht bekannt)
  • Aktenzeichen, aktenführende Dienststelle, Herkunft des Datensatzes
  • Erfassungsdatum, Aussonderungsprüfdatum

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei zwei Menschen die acht kodierten Merkmale gleich sind, liegt laut BKA bei 1:700.000.000. Die Chance, dass eine untersuchte DNA-Probe einer falschen Person zugeordnet werden könnte, ist damit äußerst gering, jedoch nicht ausgeschlossen. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Chance im Vergleich mit anderen, viel wahrscheinlicheren Verfahrensfehlern tatsächlich verschwindend ist.

Zweckbestimmung der Datei ist offensichtlich der Abgleich von Spuren und Personen (auch untereinander -- das BKA träumt immer eifrig vom Profilen, und in der Tat ist es ja nicht uninteressant, auf welchen Demos sich die Leute so rumtreiben). Etwas mysteriös ist die Zweckbestimmung der "Gewinnung von Erkenntnissen über polizei- und krimaltaktisches Vorgehen" (Einrichtungsanordnung 2.3). Man könnte das als Freibrief zum Data Mining lesen.

Die DAD legt ein auch für Überwachungsverhältnisse rasantes Wachstumsverhalten an den Tag:

  • April 1998: 0 Datensätze (die Datenbank wird eingerichtet)
  • Ende 2000: 72.300 Personendatensätze, 8800 Spurendatensätze.
  • Anfang 2002: 150.000 Datensätze.
  • November 2002: 236.000 Datensätze.
  • Dezember 2004: 386.000 Datensätze (davon 17% Spuren).
  • April 2005: über 400.000 Datensätze ([http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/artikel.php?id=88159 lt. Zeitungsbericht])

Im Dezember 2004 half die DAD den Mord an Rudolf Moshammer aufzuklären, danach kam die Forderung die Datenbank "in die Routine des Erkennungsdienstes" einzubauen. http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/188/46142/print.html

Speicherfirst

Die Einrichtungsanordnung spricht davon, dass nach 10 Jahren (5 Jahre bei Jugendlichen) "zu prüfen" sei, ob gespeicherte Daten gelöscht werden müssen. Eine Speicherfrist als solche ist mithin also nicht festgelegt. Grundsätzlich wird bei Verurteilten auf keinen Fall gelöscht, solange die Person noch in Haft ist oder noch eine Bewährungsfrist läuft.

Grundsätzlich sollen Daten gelöscht werden, wenn

  • der/die Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen worden ist
  • das Hauptverfahren gar nicht erst eröffnet wird
  • das Verfahren eingestellt wird und aus der Einstellungsbegründung hervorgeht, dass der/die Beschuldigte die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.
  • "kein Grund mehr" besteht, anzunehmen, der/die Beschuldigte könnte nochmal Straftaten erheblicher Bedeutung begehen.

Das ist im Groben die Regelung in anderen Datenbanken, und mithin ist speziell im politischen Bereich nicht davon auszugehen, dass die Prüfung zur Weiterspeicherung jemals negativ ausgehen wird ("die Gesinnung des Angeklagten lässt erwarten, dass er bald wieder plakatieren wird").

Zur Speicherfrist von Spuren sagt die Einrichtungsanordnung nichts aus.

Richtervorbehalt

Die Entnahme von Körpermaterial gegen den Willen des Betroffenen ist immer ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Dazu kommt im Fall von Proben zur genetischen Analyse die Möglichkeit weitergehender Untersuchungen, vor allem aber das Fakt, dass wir alle permanent relativ langlebige DNA-Spuren legen, dass also eine Erfassung in der DAD mit einer de-facto-Umkehr der Unschuldsvermutung einhergehen kann ("Wir haben Ihre Spuren am Hauptbahnhof gefunden, und Sie sind als Unruhestifter bekannt -- jetzt beweisen Sie mal, dass Sie nicht die Schmähschriften ausgelegt haben").

Skandale

Grundsätzlich skandalös an allen (bekannten) Gendatenbanken ist, dass der mit ihrer Einrichtung verbundene dramatische Grundrechtseingriff durchweg mit die bürgerliche Seele besonders heftig bewegender Schwerkriminalität begründet wird, während ihr Einsatz sich durchweg überwiegend gegen Trivialkriminalität richtet. In der BRD sind z.B. verifizierte Tefferfälle [http://www.bfd.bund.de/information/tb9900/kap11/11_06.html weit überwiegend Eigentumsdelikte].

Reizvoll: Auf http://www.bka.de/profil/profil5.html schreibt das BKA von "unkodierten" Teilen der DNA in der Gendatenbank -- offenbar sind da nicht nur Profis am Werk.

["Glossar"]