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Revision 36 vom 2011-07-19 20:00:27
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Autor: anonym
Kommentar: Großes Refaktorieren in TFTP (USA) und EU-Pläne.
Revision 37 vom 2011-07-19 20:12:08
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Autor: anonym
Kommentar: + Unter-dem-Radar-Abziehen aus NL-Rechenzentrum
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Am 19.3. berichtet die niederländische Zeitung NRC Handelsblad
([[http://www.statewatch.org/news/2011/mar/07netherlands-usa-swift-mla.htm|statewatch dazu]], "SWIFT data and MLA treaty"), zwischen 2001 und 2009 hätten die USA
unter Vermittlung der niederländischen Regierung an allen Parlementen
(diesen war typischerweise noch nicht mal klar, dass die Daten
physisch in den Niederlanden und nicht in Belgien sind) vorbei
große Mengen Daten aus dem SWIFT-Rechenzentrum in den Niederlanden
abgezogen.

TFTP/SWIFT-Daten

Die Daten über internationalen Überweisungen, welche zumeist über SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) abgewickelt werden, werden im Rahmen des US-TFTP (Terrorist_Finance_Tracking_Program) Abkommen der EU mit den USA an die USA weitergegeben (vgl. Privat-Öffentliche Datenbanken) .

TFTP (USA)

Der IT-Überblick der EU-Kommission 2010 berichtet diese folgendes über SWIFT bzw TFTP:

The purpose of the EU-US TFTP Agreement is to prevent, investigate, detect or prosecute terrorism or its financing. It obliges designated providers of financial messaging services to transfer to the US Treasury, on the basis of specific geographical threat assessments and tailored requests, sets of financial messaging data containing, inter alia, the name, account number, address and identification number of the originator and recipient(s) of financial transactions. The Treasury may only search such data for the purpose of the TFTP and only if it has a reason to believe that an identified person has a nexus to terrorism or its financing. Data Mining and the transfer of data relating to transactions within the Single Euro Payment Area are prohibited. The US provides to EU Member States, Europol and Eurojust any ‘lead information’ concerning potential terrorist plots in the EU and will help the EU establish its own system equivalent to the TFTP.

Dass hier nicht von SWIFT die Rede ist, hat seine Richtigkeit, denn SWIFT hat kein Monopol auf die Abwicklung internationaler Überweisungen, immerhin aber eine klare Spitzenstellung (laut unwatched.net vom 16.3.2011 hat SWIFT einen Marktanteil von 80%).

Rechtslage

Jahrelang lieferte SWIFT seine Daten ohne jede (europäische) Rechtsgrundlage an die USA. Das TFTP-Abkommen von 2010 zwischen EU und USA sorgt inzwischen für eine Verrechtlichung.

Umfang der weitergeleiteten Daten

Weitergeleitet werden wohl komplette Überweisungsdatensätze (also Sender, Empfänger, Betrag, Zweck, Datum). Der "Sepa-Standard", der ab 2013 verpflichtend werden soll, soll auch Adressen enthalten. Diese können bis zu fünf Jahren gespeichert werden, Betroffene werden nicht informiert.

Innereuropäische Überweisungen sollten von dem Abkommen eigentlich nicht erfasst werden. Die Financial Times Deutschland berichtet am 1.2.2011 allerdings ("US-Einblick in europäische Bankdaten unterschätzt"), dass dieser Schutz nur Sepa-Transaktionen betrifft; Transaktionen, die über das ältere Swiftnet-Fin laufen, können unabhängig von den Geographie von den USA untersucht werden.

Auch nur grobe Zahlen zu den Übermittlungen sind nicht bekannt.

Datenschutz

Für den Datenschutz beim EU-Beitrag zu TFTP ist ausgerechnet Europol zuständig, das da wirklich wenig Kompetenzen anzubieten hat. Zudem kann sich Europol an die USA wenden, um dort bereits übermittelte Daten durchsuchen zu lassen. Dementsprechend hat Europol 2010 nicht einen Antrag auf Übermittlung von SWIFT-Daten zurückgewiesen (vgl. Pressemitteilung der JSB zu SWIFT).

Auskunftsrecht besteht nach einer Stellungnahme des BfDI zu SWIFT über die nationalen Datenschutzbehörden, die Anfragen an die US-Behörden weiterleiten (diese dürfen aber natürlich, ganz Geheimpolizei, die Auskunft verweigern).

Kritiken

Internet-Law: 14.9.10, Wie bedenklich ist das SWIFT-Abkommen wirklich? kritisiert, das US-Abkommen missachte die Datensparsamkeit, da es SWIFT technisch nicht möglich sei, einzelne Datensätze zu übermitteln. Daher würden regelmäßig Sammeldateien übermittelt. Die kleinste Einheit, die Swift liefern könne, sind die Banktransferdaten für ein ganzes Land für einen bestimmten Zeitraum

Wie der EU observer am 17.03.2011 berichtet ("Court only option against Swift agreement, says MEP"), kritisiert Grüne Europaabgeordnete Jan Philip Albrecht das Data Mining, das die USA offenbar auf den Daten laufen lassen als grundgesetzwidrig.

TFTP EU-Ebene: TFTS

Die EU plant ein eigenes System, doch ist dazu noch nichts in trockenen Tüchern; die Rede ist 2011 von einem TFTS ("Terrorist Finance Tracking System", heise.de dazu, 7/2011).

Mindestens seit Bekanntwerden der SWIFT-Lauscherei sollen "Erkenntnisse" aus TFTP an Europol zurückfließen und dort sogar schon in AWFs gespeichert worden sein, denn im im 2011er Kontrollbericht des Europol-JSB zu TFTP steht (S.6, Punkt 4) die Forderung nach einer Löschung eines Teils solcher Daten.

Geschichte

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA übermittelte SWIFT nach eigenen Angaben vertrauliche Daten über Finanztransaktionen an US-amerikanische Behörden. In Presseberichten ist von 20 Millionen übermittelter Bankdaten pro Jahr die Rede. Die US-amerikanische Regierung ist unmittelbar nach den Anschlägen über CIA, FBI, Finanzministerium und US-Notenbank an die SWIFT-Führung herangetreten. Diese folgte der Aufforderung freiwillig. Dabei war das 25-köpfige SWIFT-Direktorium sowie ein Kontrollgremium, dem auch ein Mitglied der Deutschen Bundesbank angehörte, von den Vorgängen informiert.

Wie die dpa (TODO: Wann?) berichtete, habe SWIFT versucht, eine Genehmigung für die Datenweitergabe zu erhalten, die befragten Zentralbanken hätten darauf jedoch nicht reagiert. In der New York Times, welche die Vorgänge aufdeckte, wurde angezweifelt, dass die Vorgehensweise legal war.So sieht etwa das zivilgesellschaftliche Netzwerk „Aktion Finanzplatz Schweiz“ in der Weitergabe der Daten einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Die Bush-Regierung rechtfertigte das Vorgehen mit dem Krieg gegen den Terror.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich bekam SWIFT für die Weitergabe der Daten den Big Brother Award (FOebuD-Infos zur 2006er Preisverleihung)

Ende Juli 2009 beschlossen die EU-Außenminister, Terrorfahndern der Vereinigten Staaten einen Zugriff auf europäische Kontodaten zu ermöglichen. Sie beauftragten die Europäische Kommission mit der Aushandlung eines Abkommens. Das Abkommen wurde vom Europäischen Parlament am 11. Februar 2010 zunächst mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Mit Beschluss vom 24. März 2010 erhielt die Europäische Kommission ein vorläufiges Mandat zu erneuten Verhandlungen. Am 28. Juni 2010 unterzeichneten die Parteien schließlich ein Abkommen, das nach einem Kompromiss auch die Wünsche des Europäischen Parlaments berücksichtigt. So soll die Weiterleitung der Daten an die USA von einem Europol-Mitarbeiter kontrolliert werden. Nach Auskunft des JSB vom Früjahr 2011 findet diese Kontrolle nicht statt, da alle Gesuche der USA genehmigt werden, auch wenn sie nicht den Anforderungen genügen.

Anfang 2011 beschwert sich die deutsche Delegation beim europäischen Rat über Intransparenz, Geheimhaltungswahn und fehlende Kontrolle bei TFTP. Da sie weder von der Komission, noch von Europol oder dem Bundesinnenministerium Auskunft bekamen: Germany is deeply concerned about this information policy. Repeatedly sidestepping questions or not answering them at all will raise further questions and add to growing scepticism.

Am 1.3.2011 legt die JSB von Europol einen Kontrollbericht zum europäischen Beitrag zu TFTP vor. Leider ist praktisch alle Information geheim. Offenbar werden aber dramatische Missstände aufgedeckt. In einer Pressemitteilung der JSB zu SWIFT wird diplomatisch formuliert:

Die mit der Überprüfung beauftragte Arbeitsgruppe stellte fest, dass einige datenschutzrechtliche Anforderungen nicht eingehalten wurden. Das wichtigste Ergebnis der Überprüfung war, dass die bei Europol eingegangenen schriftlichen Anträge nicht spezifisch genug waren, um eine Entscheidung über die Genehmigung oder Ablehnung zu ermöglichen. Es wurde festgestellt, dass die Anträge der USA zu allgemein und zu abstrakt waren, um die korrekte Bewertung der Notwendigkeit der beantragten Datenübermittlungen zu ermöglichen. Dessen ungeachtet genehmigte Europol jeden eingegangenen Antrag. (...) Europol hat darauf hingewiesen, dass mündliche Informationen eine Rolle bei der Überprüfung jeder Anfrage spielen. Diese Informationen werden bestimmten Europol-Bediensteten unter der Bedingung gegeben, dass keine Aufzeichnungen gemacht werden.

In der Folge berichtet unwatched.org am 16.3.2011 ("SWIFT: Europa-Parlament fühlt sich betrogen") von wachsendem Unmut im Europaparlament angesichts der Ergebnisse des Kontrollberichts, zumal offenbar kaum Anfragen in erkennbarem Zusammenhang mit Dingen stehen, die für die MEPs als Terrorismus durchgehen.

Am 19.3. berichtet die niederländische Zeitung NRC Handelsblad (statewatch dazu, "SWIFT data and MLA treaty"), zwischen 2001 und 2009 hätten die USA unter Vermittlung der niederländischen Regierung an allen Parlementen (diesen war typischerweise noch nicht mal klar, dass die Daten physisch in den Niederlanden und nicht in Belgien sind) vorbei große Mengen Daten aus dem SWIFT-Rechenzentrum in den Niederlanden abgezogen.

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