Revision 6 vom 2010-06-05 06:52:28

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INPOL-Zentraldatei IgaSt

IgaSt steht für "International agierierende gewaltbereite Störer", soll sich also gegen Menschen richten, die im Zusammenhang mit "Gipfelprotesten" polizeibekannt geworden sind. Es handelt sich um eine Zentraldatei innerhalb von INPOL, d.h., das BKA pflegt die Datenbank auch für die anderen Polizeien. In dem Bereich ist das BKA noch mit der Amtsdatei (d.h. Zugriff soll nur das BKA haben) Global unterwegs.

IgaSt hat einige Berühmtheit erlangt, weil seit Mitte der 2000er daraus regelmäßig vor Gipfeln und ähnlichen Veranstaltungen Ausreiseverbote, Meldeauflagen oder Gefährderanschreiben generiert wurden.

Die Errichtungsanordnung liegt vor.

Inhalt

Das BKA speichert hier potenziell alles (auch durch "aktive Informationsbeschaffung" gewonnene Informationen), was ihm zu AktivistInnen im vom BKA mit "Globalisierung" umschriebenen Themenbereich einfällt.

Enthalten sind wie üblich Beschuldigte, Verdächtige, Hinweisgeber, Zeugen, Kontaktpersonen sowie sonstige "Personen [...], weil bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden".

Gespeichert werden Personen mit

  • Name, Geburtsort und -datum, Geschlecht
  • "Volks"zugehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Familienstand
  • Beruf/Funktion, Sprachen, Deck-/Spitznamen
  • Größe, "Scheinbares Alter", "Typ/Erscheinung/Kleidung", "Eigenart/Accesoires", Körperliche Merkmale
  • Das unvermeidliche Freitextfeld, eingeschränkt auf die Erläuterung der Items (was bestimmt auch Prozessakten sein können...)
  • Vermutlich auch Kontaktdaten wie Telefonnummern, jedenfalls werde die für Kontaktpersonen, Hinweisgeber, Zeugen usf. gespeichert.

Bemerkenswerterweise wird der Grund der Speicherung nicht gespeichert, d.h. aus einem Eintrag geht offenbar nicht direkt hervor, ob jemand Beschuldigter, Zeuge oder Kontaktperson ist. Die Negativauskunft der Bundesregierung in Bt-DS 16/13563, 3c bzgl. der Zahl der Kontakt- und Begleitpersonen dürfte aber trotzdem eher als Faulheit durchgehen.

Dazu speichert das BKA Daten zu

  • Organisationen (mit Name, Art, Sitz, Gründungsland, "Nationaler Zugehörigkeit", für Firmen noch Stammkapital und einiges weitere)
  • Sachen (mit u.a. "Anreicherungsgrad (%)" sowie Wert in DM und Euro...); hierunter fallen auch Waffen, für die das BKA weitere, nicht näher bezeichnete Daten speichern will.
  • Autos (natürlich mit Kennzeichen, damit das gut zu scannen ist)
  • Telefon- und andere Kommunikationsanschlüsse (mit Feld "Fake-Account", was nicht weiter erläutert wird).
  • Konten
  • Falschgeld
  • Ereignisse, besonders Straftaten, inklusive "Lagerelevanz", "Bewertung" und "Transportmittel"
  • Örtlichkeiten
  • Beziehungen (mit Beziehungsart, Beziehung zu, Typ, Beziehungszeitraum, Bewertung); dabei ist vermutlich nur in zweiter Linie an Romantik gedacht.
  • Dokumente (vermutlich vor allem auf gefälschte Ausweispapiere bezogen, weniger auf Fluggis)
  • Spuren (sieht eher nach einer Nachweistabelle aus, dürfte also nicht viel inhaltliche Information enthalten)
  • Hinweise (klar)
  • Daten zu Verfahren und Vorgängen (inklusive "Text" -- hier ist dann also alles drin).

Mithin darf IgaSt als Antiterrordatei light gelten. Das BKA kann hier speichern, was es will.

Modalitäten

Laut Errichtungsanordnung soll der Zugriff nur über das Referat ST 11 des BKA möglich sein. Dies scheint zunächst unplausibel, wie weit über kreative Rechtskonstrukte online-Zugriff für Landespolizeien realisiert wird, würden wir gerne wissen.

Aussonderungsprüffristen sind im Regelfall INPOL-typisch zehn Jahre bei Erwachsenen, fünf bzw. zwei Jahre bei Jugendlichen bzw. Kindern. Bei nicht unmittelbar Beschuldigten sind die Zeiten etwas reduziert.

Zahlen

Laut Bt-DS 16/13563 waren im Juni 2009 knapp 3000 Personen in IgaSt gespeichert.

In BtD 17/1284 sagt die Bundesregierung, anlässlich des Klimagipfels von Kopenhagen 2009-12 seien Daten zu 240 Personen übertragen worden, die in IgaSt als "potenziell gewaltbereite Störer" gespeichert waren. Das dürfte jedenfalls eine brauchbare Orientierung für den Umfang der Datenbank sein.

Bemerkenswert an der Geschichte ist, dass nach Kenntnis der Regierung nur zwei dieser 240 Personen in Dänemark auch in Gewahrsam genommen wurden, also nicht mal ein Prozent. Unter solchen Umständen erscheinen Zweckbindung und Datensparsamkeit jedenfalls fraglich, von Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen.