Unterschiede zwischen den Revisionen 14 und 15
Revision 14 vom 2011-04-25 07:28:17
Größe: 7580
Autor: anonym
Kommentar: Mehr Infos aus dem 2011er Bericht des BfDI
Revision 15 vom 2011-07-15 17:30:40
Größe: 7577
Autor: anonym
Kommentar: Schreibfehler
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INPOL-Zentraldatei IgaSt

IgaSt steht für "International agierende gewaltbereite Störer", soll sich also gegen Menschen richten, die im Zusammenhang mit "Gipfelprotesten" polizeibekannt geworden sind (auch bei Blockaden). Es handelt sich um eine Zentraldatei innerhalb von INPOL, d.h. das BKA pflegt die Datenbank auch für die anderen Polizeien. D.h. das sowohl die Länderpolizeien, die Bundespolizei als auch die polizeilichen Teile des Zoll Zugriff auf die Datenbank haben. (Früher betrieb das BKA für ähnliche Zwecke noch eine Amtsdatei (d.h. Zugriff hatte nur das BKA) die Global genannt wurde und inzwischen eingestellt wurde.)

IgaSt hat einige Berühmtheit erlangt, weil seit Mitte der 2000er daraus regelmäßig vor Gipfeln und ähnlichen Veranstaltungen Ausreiseverbote, Meldeauflagen oder Gefährder-Anschreiben generiert wurden und diese Daten auch -- etwa zum NATO-Jubiläum in Strasbourg/Kehl 2009 -- ins Ausland übertragen wurde.

Inhalt

Die Errichtungsanordnung von IgaSt sieht vor, dass das BKA hier potenziell alles (auch durch "aktive Informationsbeschaffung" gewonnene Informationen) speichert, was ihm zu AktivistInnen im vom BKA mit "Globalisierung" umschriebenen Themenbereich einfällt.

Enthalten sein dürfen wie üblich Beschuldigte, Verdächtige, Hinweisgeber, Zeugen, Kontaktpersonen sowie sonstige "Personen [...], weil bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Betroffenen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Im 23. Tätigkeitsbericht des BfDI (2011) (7.2.2, S. 88) allerdings wird ausgeführt, Zeugen oder Kontaktpersonen ("tatferne Personen") seien dezeit nicht gespeichert. Stattdessen finde eine der Errichtungsanordnung zuwiderlaufende Einteilung der Gespeicherten nach "harter Kern" (zur Übertragung im Ausland vorgesehen) und "noch zu prüfen" (werden erstmal nicht übertragen) statt. Zu dieser Einordnung führt der BfDI aus:

Ich habe auch nicht den Eindruck gewonnen, dass hinreichend klar bestimmt ist, bei wem es sich nach Auffassung des BKA um einen „international agierenden gewaltbereiten Störer“ handelt, insbesondere in den Fällen, in denen die betreffende Person zwar in der Datei gespeichert, aber nicht dem „harten Kern“ gewaltbereiter Störer zugerechnet wird. Auch die Faktenbasis, auf der das BKA seine Prognoseentscheidung treffen muss, erschien mir häufig unsicher, zumal das BKA hier auf teilweise sehr lückenhafte Informationen aus dem Ausland bzw. aus den Ländern angewiesen ist.

Die dürftigen Auskünfte der Bundesregierung in Bt-DS 16/13563, 3c bezüglich. der Zahl der Kontakt- und Begleitpersonen darf angesichts der Auskünfte des BfDI ruhig als Missachtung des Parlaments gewertet werden. Dass die Anfragenden Jahre später vom BfDI erfahren, es seien gar keine Kontaktpersonen gespeichert, dürfte diese wenig erfreuen.

Gespeichert werden Personen mit

  • Name, Geburtsort und -datum, Geschlecht
  • "Volks"zugehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Familienstand
  • Beruf/Funktion, Sprachen, Deck-/Spitznamen
  • Größe, "Scheinbares Alter", "Typ/Erscheinung/Kleidung", "Eigenart/Accesoires", Körperliche Merkmale
  • Das unvermeidliche Freitextfeld, eingeschränkt auf die Erläuterung der Items (was bestimmt auch Prozessakten sein können...)
  • Vermutlich auch Kontaktdaten wie Telefonnummern, jedenfalls werde die für Kontaktpersonen, Hinweisgeber, Zeugen usf. gespeichert.

Dazu speichert das BKA Daten zu

  • Organisationen (mit Name, Art, Sitz, Gründungsland, "Nationaler Zugehörigkeit", für Firmen noch Stammkapital und einiges weitere)
  • Sachen (mit u.a. "Anreicherungsgrad (%)" sowie Wert in DM und Euro...); hierunter fallen auch Waffen, für die das BKA weitere, nicht näher bezeichnete Daten speichern will.
  • Autos (natürlich mit Kennzeichen, damit das gut zu scannen ist)
  • Telefon- und andere Kommunikationsanschlüsse (mit Feld "Fake-Account", was nicht weiter erläutert wird).
  • Konten
  • Falschgeld
  • Ereignisse, besonders Straftaten, inklusive "Lagerelevanz", "Bewertung" und "Transportmittel"
  • Örtlichkeiten
  • Beziehungen (mit Beziehungsart, Beziehung zu, Typ, Beziehungszeitraum, Bewertung); dabei ist vermutlich nur in zweiter Linie an Romantik gedacht.
  • Dokumente (vermutlich vor allem auf gefälschte Ausweispapiere bezogen, weniger auf Fluggis)
  • Spuren (sieht eher nach einer Nachweistabelle aus, dürfte also nicht viel inhaltliche Information enthalten)
  • Hinweise (klar)
  • Daten zu Verfahren und Vorgängen (inklusive "Text" -- hier ist dann also alles drin).

Mithin darf IgaSt als Antiterrordatei light gelten. Das BKA kann hier speichern, was es will.

Modalitäten

Laut Errichtungsanordnung soll der Zugriff nur über das Referat ST 11 des BKA möglich sein. Dies scheint zunächst unplausibel, wie weit über kreative Rechtskonstrukte online-Zugriff für Landespolizeien realisiert wird, würden wir gerne wissen.

Aussonderungsprüffristen sind im Regelfall INPOL-typisch zehn Jahre bei Erwachsenen, fünf bzw. zwei Jahre bei Jugendlichen bzw. Kindern. Bei nicht unmittelbar Beschuldigten sind die Zeiten etwas reduziert.

Zahlen

Laut Bt-DS 16/13563 waren im Juni 2009 knapp 3000 Personen in IgaSt gespeichert.

In BtD 17/1284 sagt die Bundesregierung, anlässlich des Klimagipfels von Kopenhagen 2009-12 seien Daten zu 240 Personen übertragen worden, die in IgaSt als "potenziell gewaltbereite Störer" gespeichert waren. Das dürfte jedenfalls eine brauchbare Orientierung für den Umfang der Datenbank sein.

Bemerkenswert an der Geschichte ist, dass nach Kenntnis der Regierung nur zwei dieser 240 Personen in Dänemark auch in Gewahrsam genommen wurden, also nicht mal ein Prozent. Unter solchen Umständen erscheinen Zweckbindung und Datensparsamkeit jedenfalls fraglich, von Verhältnismäßigkeit ganz zu schweigen.

Im 23. Tätigkeitsbericht des BfDI (2011) wird berichtet, Personen, die im "nackten Block" oder in einer Menschenkette an Straßenblockaden teilgenommen haben sollen, seinen in IgaSt gespeichert gewesen.

Position des BfDI

In seinem 23. Tätigkeitsbericht (2011) führt der BfDI zu IgaSt aus (7.2.2, S. 88):

Ungeachtet der juristischen Frage, inwieweit die Handlungen von Demonstranten strafrechtlich unter den umstrittenen Begriff der „Gewalt“ subsumiert werden können, sollte eine Speicherung in der Datei nur dann erfolgen, wenn die gewählte Form des politischen Protests zu erkennen gibt, dass Menschen verletzt oder Sachwerte in nicht unerheblichem Umfang zerstört werden sollen. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch provokante Formen des politischen Protests zulässig bleiben. Auch wenn in diesen Fällen die Namen der Betroffenen nicht ins Ausland übermittelt wurden, führt allein die Speicherung in der Datei „IgaSt“ zu einem Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht.

Zweifellos eine schöne Vorlage für Löschersuchen.