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Revision 34 vom 2006-10-14 18:38:22
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Revision 35 vom 2006-11-05 15:27:51
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INPOL heißt seit 1972 die zentrale Datenbank des BKA (vgl. ["Datenbanken BKA"]). Seit 1990 lief ein Projekt INPOL-neu zum kompletten Umbau, das 2000 INPOL hätte ersetzen sollen, was aber nicht klappte. 2003 wurde INPOL-neu in Betrieb genommen (aber s.u.) 1972 ist wohl kein ganz zufälliges Jahr, der Sonnenstaats-Theoretiker Horst Herold war damals mit seinem Umbau des, freundlich gesagt, altbackenen Nachfolgeapparats des Reichssicherheitshauptamts zu einer Art kleinen großen Bruder in voller Fahrt. == Geschichte ==

INPOL heißt seit 1972 die zentrale Datenbank des BKA (vgl. ["Datenbanken BKA"]); inzwischen werden kurzerhand die Datenhaltungen des BKA insgeamt als INPOL ("Polizeiliches Informationssystem") bezeichnet.

1972 ist wohl kein ganz zufälliges Jahr, der Sonnenstaats-Theoretiker Horst Herold war damals mit seinem Umbau des, freundlich gesagt, altbackenen Nachfolgeapparats des Reichssicherheitshauptamts zu einer Art kleinen großen Bruder in voller Fahrt.

Im Laufe des Ausbaus der Überwachungsgesellschaft während der
70er und 80er Jahre wurden das System mit
immer neuen Aufgaben betraut, es entstand ein Wust von Einzel- und Unterdateien,
die niemand mehr recht durchschaute. Erschwerend kam hinzu, dass das
System auf dem proprietären Betriebssystem BS-1000 von Siemens anfing und zwar noch auf den Nachfolger BS-2000 portiert werden konnte, ein Umstieg auf zeitgemäßere Systeme aber ohnehin erheblichen Aufwand verursacht hätte.

So wurde 1990 das Projekt INPOL-neu zum kompletten Umbau auf den Weg gebracht.
Als wichtigstes neues Prinzip sollte INPOL-neu die
"Anwendungsunabhängige Einfacherfassung" im Gegensatz zur
anwendungsbezogenen, potenziell mehrfachen Erfassung von INPOL-alt bringen.

Im Jahr 2000 hätte das fertig sein sollen, doch wurde da nichts draus, wohl
vor allem wegen des bei öffentlicher Softwareentwicklung wohl üblichen
Wasserkopfs von Bürokratie in Verbindung mit den Reibungsverlusten beim
Outsourcing (die Entwicklung wurde vor allem von Debis betrieben).

Nachdem über die 90er Jahre hinweg der damalige Generalkontraktor Debis
(zunächst eine Tochter von Daimler, dann von T-Systems) schon gegen 100
Millionen Mark verbrannt hatte, war Otto Schily im Juli 2001 zu einer
Inspektion hereingerauscht. Weil vergessen worden war, ein paar Indizes über
die Datenbank laufen zu lassen, war das Antwortverhalten katastrophal, und es
wurde [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9834/1.html die KPMG] geholt.

Diese verriss in einem Gutachten das dem Vernehmen nach eigentlich schon ganz
ordentlich laufende System, so dass die Arbeit eingestampft und das Projekt
unter Federführung der KPMG selbst neu aufgesetzt wurde. Die KPMG-Leute
schmissen alle anspruchsvollen Elemente aus INPOL-neu raus, importierten wohl
lediglich die alten Daten in eine Oracle-Datenbank und bekamen die
[http://www.gpec.de/pressemitteilung/01b1f493ed13d1816.html Inbetriebnahme zum
16.8.2003] hin.

Mehr zum alten INPOL unter ["INPOL-Alt"].

== Struktur ==
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Personenbezogene Daten
werden verarbeitet, soweit es sich um Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder
erheblicher Bedeutung handelt (zumindest nach dem Gesetz, mit dem es das BKA nach übereinstimmender Klager praktisch aller Datenschutzbeauftragter nicht immer so genau nimmt).
Das ist insoweit relevant, weil sich daraus eine Aufteilung der in
INPOL enhaltenen Datenbestände ergibt, nämlich in
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 * Verbunddateien -- hier speichern und löschen die Teilnehmer in eigener Verantwortung für alle anderen Teilnehmer
 * Zentraldateien -- hier speichert das BKA selbst, die anderen Teilnehmer können aber lesen
 * Amtsdateien -- Daten, die nur dem BKA gehören und die den anderen Teilnehmern in der Regel nicht zugänglich sind.
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Bei den gespeicherten Daten handelt es sich
zum überwiegenden Teil um Informationen der Landespolizeidienststellen -- das ist unter anderem deshalb pikant, weil sie, sobald sie in INPOL sind, dem BKAG und nicht den (eventuell ja restriktiveren) Landespolizeigesetzen unterliegen.
Grundsätzlich sollte beim Gebrauch des Wortes "Datei" in diesem
Zusammenhang bedacht werden, dass wohl tatsächlich alle Daten in
''einer'' physikalischen Datenbank vorhanden sind und nur logisch in die
verschiedenen Bereiche aufgeteilt sind. Dies ist, was mit der
"anwendungsunabhängigen Einfachspeicherung" gemeint ist.
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Weitere Links:

 * http://www.bfd.bund.de/dsvonaz/p7.html
 * [http://www.nadir.org/nadir/initiativ/linksrhein/dokus/innen/inpol/index.htm Eine nette Übersicht] über Inpol und dessen Umgebung.
 * [http://www.bka.de/profil/profil5.html Halbwegs aktuelle Zahlen] dazu vom BKA


== Ausgewählte INPOL-Skandale ==

[http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=132565&template=themen_e Der LfD Brandenburg bemängelt], dass nach Einrichtungsanordnung von INPOL-neu sämtliche Straftaten aus dem Staatsschutzbereich in INPOL übernommen werden, selbst wenn die Details nicht den INPOL-Kriterien entsprechen.


= INPOL-alt =

INPOL-alt bestand aus gegen fünfzig Dateien, darunter Personenfahndung, Sachfahndung, Kriminalaktennachweis (KAN), Haftdatei, Erkennungsdienstliche Datei (5 Millionen Records), DNA-Analyse-Datei.

Der KAN war Herzstück des "operativen" Bereichs, enthielt aber auch schon recht zweifelhafte Daten -- so wurden, zumindest in Datensätzen auch Bayern, gerne liberal mit Personenbezogenen Hinweisen wie "geisteskrank"
gespeichert operiert ("zum Selbstschutz der Beamten").

== Spezialdateien innerhalb von INPOL-alt ==

Insgesamt gab es gegen 50 von denen
 * LACK
 * ISIS
 * COD (Computergestütztes Literatur-Dokumentationssystem)
 * GOLEM (Großspeicher-orientierte Listenmethode zur Dokumentation und Literaturbeschaffung)
 * PKS
 * PISA (Personenbezogene Info Sammlung = Be''''''Fas; Zielfahndung, Häftlingsüberwachung / Alibi-Überprüfung)
 * LISA (PISA-Ergänzung durch Länder)
 * SSD (Straftaten Straftäter Datei; Personen, Straftaten und Opfer)
 * DIEBSTAHLSDATEI (Gestohlene/verlorene Gegenstände inkl. Daten des Eigentümers)
 * HAFTDATEI (Haftort, Haftantritt, Entlassung) -- wurde [http://www.datenschutz-berlin.de/jahresbe/03/teil4_1.htm offenbar nicht immer schnell genug aktualisiert], weswegen auch schon mal jemand als noch im Knast geführt wurde, der schon zwei Wochen draußen war.
 * FDR (Falldatei Rauschgift -- wurde laut http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/Home/Der_LfD/Taetigkeitsberichte/1997/tb2.htm#t2_a2_1 bei ''jedem'' Drogendelikt, also auch schlichtem Besitz, gefüttert; hier wird auch erwähnt, dass 1997 von 51000 Personen aus dem Land Datensätze in FDR waren, wovon 33000 wegen nur eines einzigen Verdachts aufgenommen wurden)
 * PIOS: Personen, Institutionen, Objekte und Sachen. Hier konzentrierten sich die SpuDok-Schrecklichkeiten, etwa in 2000 Records über Landfriedensbruch ab
Ermittlungsverfahren -- offenbar hat auch INPOL-neu noch Reste dieser Struktur. Teil von PIOS war
   * APIS, "Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit" mit ca. 50.000 Personen, vermutlich vor allem aus dem linken Dunstkreis. Der [http://www.lfd.nrw.de/pressestelle/download/dsb_2005.pdf 17._Datenschutzbericht_NRW] deckt einen Fall auf, wie Daten in APIS erfasst werden.

=== Möglicherweise nicht über INPOL zugängliche BKA-Dateien ===

 * TESCH (Terrorismus- und extremismusbezogene Schriften)
 * FISH (Forensisches Informationssystem Handschriften)
 * FARS (Daktyloskopie, Sonogramme, Graphologie)

Über deren Verbleib nach dem Übergang zu INPOL-neu ist uns nichts bekannt.

=== LIMO, REMO, AUMO ===

Spezialdateien für Links-, Rechts-, und
Ausländer''''''Innenkriminalität. Darin auch Platzverweise,
Ingewahrsamnahmen und
Personalienfeststellungen registriert. Vgl. http://www.diezeit.de/2001/37/Politik/200137_bka.html

Diese Daten waren im "offenen Bereich", d.h. waren für alle
Polizist''''''Innen zugänglich.

=== weitere Verknüpfungen nach außen ===

Inpol war in häufig recht zweifelhafter Weise verknüpft u.a. mit AFIS, AZR, BZR, EUCARIS, FARS, FINAS, KBA, NADIS, RAKK, SIS, SSD, ZEVIS, den Daten der Meldebehörden und mehr. Zu den Details der diversen Kanäle ist nichts bekannt -- sie dürften wenigstens damals größtenteils nicht im Regelbetrieb zulässig gewesen sein.

= INPOL-neu =

Neukonzeption von INPOL (wichtigstes Prinzip:
Anwendungsunabhängige Einfacherfassung im Gegensatz zur
anwendungsbezogenen, potenziell mehrfachen Erfassung von INPOL-alt).
Bundesweite Datenbank mit einheitlichem Bestand über alle Länder hinweg. Wurde von Debis und KPMG implementiert.

Die Geschichte von INPOL-Neu ist bewegt -- nachdem über die 90er Jahre hinweg der damalige Generalkontraktor T-Systems schon gegen 100 Millionen Mark verbraten hatte, war Otto Schily im Juli 2001 zu einer Inspektion hereingerauscht. Weil vergessen worden war, ein paar Indizes über die Datenbank laufen zu lassen, war das Antwortverhalten katastrophal, und es wurde [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9834/1.html die KPMG] geholt. Diese verriss in einem Gutachten das dem Vernehmen nach eigentlich schon ganz ordentlich laufende System, so dass die Arbeit eingestampft und das Projekt unter Federführung der KPMG selbst neu aufgesetzt wurde. Die KPMG-Leute schmissen alle anspruchsvollen Elemente aus INPOL-neu raus, importierten wohl lediglich die alten Daten in eine Oracle-Datenbank und bekamen die [http://www.gpec.de/pressemitteilung/01b1f493ed13d1816.html Inbetriebnahme zum 16.8.2003] hin.

Auf eine recht schlampige Arbeit bei der Umstellung auf INPOL-neu durch KPMG deutet auch hin, dass die grobe Organisation der Daten weiter eng an das alte INPOL angelehnt zu sein scheint. Zumindest sind bekannt werdende Daten zumeist mit "Verbunddate PIOS" o.ä. markiert.

Teilnehmer: Länder, BKA, BGS, Zoll -- besonders pikant dabei [http://www.bfd.bund.de/information/tb9900/kap11/11_02_01.html Auftrags-DV] des BKA für die Länder, d.h. Länderdaten werden für die Länder beim BKA gespeichert. Diese Praxis war zunächst befristet, wurde aber im Oktober 2000 gegen die Bedenken der Datenschutzbeauftragten vom BMI auf Dauer genehmigt ("Kostenersparnis").

Über INPOL-neu auch Zugriff auf "externe" Daten (bekannt: SIS, ZEVIS)


"Grundinformation": Personen- und Sachfahndung, erkennungsdienstliche
Daten, Haftdaten, Personenbeschreibungen sowie personenbezogene
Hinweise plus [http://www.bfd.bund.de/information/tb9900/kap11/11_02_04.html Marker über separate Verfügbarkeit von GF]. Offenbar
auch Speicherung von Tat''vorwürfen''.

"Weiche Daten" im Fallbereich.

Keine verbindlichen Fristen zur Löschung. Datenerhebung zum Zwecke
künftiger Prozesse (§20 BKAG). Im KAN werden beliebige, insbesondere nur im Zusammenhang mit weiteren Informationen überhaupt potentiell polizeirelevante Daten gespeichert ([http://www.bfd.bund.de/information/tb9900/kap11/11_02_02.html Kritik des BfD daran])

Neu: "Polizeiliche Führungsinformation" über
Kriminalitätsstrukturdaten zur Prävention.

http://www.infolinks.de/cilip/ausgabe/62/inpol.htm

http://www.datenschutzzentrum.de/somak/somak99/sa99rub.htm --

Das alte INPOL-System soll 1998 740000 Personenfahndungen enthalten
haben, davon ca. 70% Abschiebungen. 3 Millionen Kriminalakten, 2.4
Millionen Fingerabdruckblätter.
Personenbezogene Daten werden verarbeitet, soweit es sich um Straftaten mit
länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung handelt
(zumindest nach dem Gesetz, mit dem es das BKA nach übereinstimmender Klagen
praktisch aller Datenschutzbeauftragter nicht immer so genau nimmt).
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Grundsätzlich scheinen die Berechtigungen hierarchisch angelegt zu sein d.h. z.B. Zugriff auf OK umfasst auch gesamten Grundbereich. So viel zu komplex. Grundsätzlich scheinen die Berechtigungen hierarchisch angelegt zu sein
d.h. z.B. Zugriff auf OK umfasst auch gesamten Grundbereich. So viel
zur Bedeutung von "komplex".
Zeile 124: Zeile 80:
Bekannte Berechtiungsbereich (nach Datenschleuder 82): Bekannte Berechtiungsbereiche (nach Datenschleuder 82):
Zeile 127: Zeile 83:
 * Fallbereich: Ex-PIOS-Daten, Fallanwendungen mit Ausnahme OK, Geldwäsche, "Innere Sicherheit". Hier insbesondere Daten "Unbeteiligter" (siehe unten). Partiell sollen diese Daten auch in den Grundbereich diffundieren können (etwa Auskünfte über die Straftaten, die eine Person begangen hat). Zugriff sollen "polizeiliche Ermittler" haben.  * Fallbereich: Ex-PIOS-Daten, Fallanwendungen mit Ausnahme OK,
 *
Geldwäsche, "Innere Sicherheit". Hier insbesondere Daten
 *
"Unbeteiligter" (siehe unten). Partiell sollen diese Daten auch in den Grundbereich diffundieren können (etwa Auskünfte über die Straftaten, die eine Person begangen hat). Zugriff sollen "polizeiliche Ermittler" haben.
Zeile 129: Zeile 87:
 * Spukdok: Fallspezifische Daten. Mir ist unklar, wie hier Zugriffsrechte geregelt sein sollen.  * Spukdok: Fallspezifische Daten. Es ist unklar, wie hier Zugriffsrechte geregelt sein sollen.
Zeile 138: Zeile 96:
[Der BfD sagt im weiteren, er hätte das BKA sehr eng festgelegt, was denn der in Frage kommende Personenkreis sei] [Der BfD sagt im weiteren, er hätte mit dem BKA sehr eng festgelegt, was denn der in Frage kommende Personenkreis sei]
Zeile 140: Zeile 98:

Aus der Einrichtungsanordnung für KAN in INPOL-Neu:


Der KAN dient

 * dem Nachweis von Kriminalakten, die beim Bund und bei den Ländern in Fällen schwerer oder überregional bedeutsamer Straftaten über Beschuldigte oder sonst tatverdächtige Personen angelegt sind,

 * der Abbildung des kriminellen Werdegangs der jeweiligen Person, in dem auch alle bei anderen Polizeidienststellen über den Beschuldigten oder Tatverdächtigen geführte Kriminalakten aufgenommen werden, die für sich genommen nicht die KAN-Zugangskriterien erfüllen, wenn mindestens eine Straftat die Zugangskriterien zum KAN erfüllt.

 

Der KAN kann Daten enthalten, die als solche selbst nicht ohne Weiteres die KAN-Zugangskriterien erfüllen, jedoch aufgrund einer Bewertung (Prognose) ergeben, dass diese zur Verhütung von Straftaten von länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung beitragen können"
Zeile 161: Zeile 106:
INPOL neu wird weiterentwickelt, offenbar um die zwischenzeitlich aufgegebenen dispositiven Elemente nachzurüsten. Bekannt ist u.a. der Einsatz der Report und Analysesoftware [http://www.innovations-report.de/profile/cognos/referenz.php COGNOS] ausgestattet. INPOL wird weiterentwickelt, offenbar u.a. um die zwischenzeitlich
aufgegebenen dispositiven Elemente nachzurüsten, aber gewiss auch zur
weiteren Integration biometrischer Da
ten. Bekannt ist u.a. der Einsatz der Report und Analysesoftware [http://www.innovations-report.de/profile/cognos/referenz.php COGNOS] ausgestattet.
Zeile 167: Zeile 114:
== Was wird gespeichert? == == Ausgewählte INPOL-Skandale ==
Zeile 169: Zeile 116:
Neben den üblichen Daten aus Strafverfahren und ED-Behandlungen durchaus auch Kram wie "Hat ein Plakat entrollt", selbst wenn daraus keine Verfahren wurden. Relevant dafür sind vor allem PIOS/APIS.

== Verbunddatei "Schläfer" ==

Im Rahmen der Rasterfahndung nach 9/11 haben die Landeskriminalämter [http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html laut Bundesverfassungsgericht] 31988 Datensätze in INPOL gespeichert (Kriterien: männlich, Alter 18 bis 40 Jahre, Student oder ehemaliger Student, islamische Religionszugehörigkeit, Geburtsland oder Nationalität bestimmter, im Einzelnen benannter Länder mit überwiegend islamischer Bevölkerung).

Diese landeten in der Verbunddatei "Schläfer". Das zitierte Urteil gibt auch Aufschluss über die abgefragten Daten. Aus dem AZR etwa wurde Name; Geburtsname; Vorname; Geburtsdatum; Geburtsort; Geburtsland; Staatsangehörigkeit; zuständiges Ausländeramt; Datum Einreise; Status; andere Namen; Aliasnamen für alle männlichen Gespeicherten mit Geburtsdatum zwischen 01.10.1960 und 01.10.1983 abgefragt, Die Unis gaben Name; Geburtsname; Vorname; Geburtsdatum; Geburtsort; Geburtsland; Staatsangehörigkeit; Wohnort; Straße; Hausnr.; evtl. 2. Wohnsitz; Religion; Studienfachrichtung; Datum der Immatrikulation, Datum der Exmatrikulation für alle Männer mit Geburtsdatum zwischen 01.10.1960 und 01.10.1983 und Immatrikulation zwischen 01.01.1996 und 01.10.2001 an die Polizei weiter.

Die Daten wurden mit den Beständen des BKA abgeglichen, in den dabei entstehenden Dateien sollen etliche 100000 Personen gespeichert worden sein.

Die Verbunddateien sollen Mitte 2003 gelöscht worden sein. Ob sämtliche in diesem Zusammenhang in INPOL aufgenommene Daten gelöscht wurden, ist indes unklar. Die Rasterfahnung erbrachte kein relevantes Ergebnis.
[http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=132565&template=themen_e Der LfD Brandenburg bemängelt], dass nach Einrichtungsanordnung von INPOL-neu sämtliche Straftaten aus dem Staatsschutzbereich in INPOL übernommen werden, selbst wenn die Details nicht den INPOL-Kriterien entsprechen.
Zeile 182: Zeile 119:
== Links ==
 * http://www.bfd.bund.de/dsvonaz/p7.html
 * [http://www.nadir.org/nadir/initiativ/linksrhein/dokus/innen/inpol/index.htm Eine nette Übersicht] über Inpol und dessen Umgebung.
 * [http://www.bka.de/profil/profil5.html Halbwegs aktuelle Zahlen] dazu vom BKA

TableOfContents

INPOL

Geschichte

INPOL heißt seit 1972 die zentrale Datenbank des BKA (vgl. ["Datenbanken BKA"]); inzwischen werden kurzerhand die Datenhaltungen des BKA insgeamt als INPOL ("Polizeiliches Informationssystem") bezeichnet.

1972 ist wohl kein ganz zufälliges Jahr, der Sonnenstaats-Theoretiker Horst Herold war damals mit seinem Umbau des, freundlich gesagt, altbackenen Nachfolgeapparats des Reichssicherheitshauptamts zu einer Art kleinen großen Bruder in voller Fahrt.

Im Laufe des Ausbaus der Überwachungsgesellschaft während der 70er und 80er Jahre wurden das System mit immer neuen Aufgaben betraut, es entstand ein Wust von Einzel- und Unterdateien, die niemand mehr recht durchschaute. Erschwerend kam hinzu, dass das System auf dem proprietären Betriebssystem BS-1000 von Siemens anfing und zwar noch auf den Nachfolger BS-2000 portiert werden konnte, ein Umstieg auf zeitgemäßere Systeme aber ohnehin erheblichen Aufwand verursacht hätte.

So wurde 1990 das Projekt INPOL-neu zum kompletten Umbau auf den Weg gebracht. Als wichtigstes neues Prinzip sollte INPOL-neu die "Anwendungsunabhängige Einfacherfassung" im Gegensatz zur anwendungsbezogenen, potenziell mehrfachen Erfassung von INPOL-alt bringen.

Im Jahr 2000 hätte das fertig sein sollen, doch wurde da nichts draus, wohl vor allem wegen des bei öffentlicher Softwareentwicklung wohl üblichen Wasserkopfs von Bürokratie in Verbindung mit den Reibungsverlusten beim Outsourcing (die Entwicklung wurde vor allem von Debis betrieben).

Nachdem über die 90er Jahre hinweg der damalige Generalkontraktor Debis (zunächst eine Tochter von Daimler, dann von T-Systems) schon gegen 100 Millionen Mark verbrannt hatte, war Otto Schily im Juli 2001 zu einer Inspektion hereingerauscht. Weil vergessen worden war, ein paar Indizes über die Datenbank laufen zu lassen, war das Antwortverhalten katastrophal, und es wurde [http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9834/1.html die KPMG] geholt.

Diese verriss in einem Gutachten das dem Vernehmen nach eigentlich schon ganz ordentlich laufende System, so dass die Arbeit eingestampft und das Projekt unter Federführung der KPMG selbst neu aufgesetzt wurde. Die KPMG-Leute schmissen alle anspruchsvollen Elemente aus INPOL-neu raus, importierten wohl lediglich die alten Daten in eine Oracle-Datenbank und bekamen die [http://www.gpec.de/pressemitteilung/01b1f493ed13d1816.html Inbetriebnahme zum 16.8.2003] hin.

Mehr zum alten INPOL unter ["INPOL-Alt"].

Struktur

Am polizeilichen Informationssystem (INPOL) sind das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter, sonstige Polizeibehörden der Länder, die Bundespolizei, Dienststellen der Zollverwaltung -- soweit sie grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen -- und das Zollkrimialamt beteiligt.

Das ist insoweit relevant, weil sich daraus eine Aufteilung der in INPOL enhaltenen Datenbestände ergibt, nämlich in

  • Verbunddateien -- hier speichern und löschen die Teilnehmer in eigener Verantwortung für alle anderen Teilnehmer
  • Zentraldateien -- hier speichert das BKA selbst, die anderen Teilnehmer können aber lesen
  • Amtsdateien -- Daten, die nur dem BKA gehören und die den anderen Teilnehmern in der Regel nicht zugänglich sind.

Grundsätzlich sollte beim Gebrauch des Wortes "Datei" in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass wohl tatsächlich alle Daten in einer physikalischen Datenbank vorhanden sind und nur logisch in die verschiedenen Bereiche aufgeteilt sind. Dies ist, was mit der "anwendungsunabhängigen Einfachspeicherung" gemeint ist.

Personenbezogene Daten werden verarbeitet, soweit es sich um Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung handelt (zumindest nach dem Gesetz, mit dem es das BKA nach übereinstimmender Klagen praktisch aller Datenschutzbeauftragter nicht immer so genau nimmt).

Berechtigungssystem

INPOL-Neu hält alle Daten -- offenbar auch die der Länder -- in einer Datei. Wer Zugriff auf welche Daten hat, wird allein logisch entschieden, wobei offenbar die BenutzerInnen über LDAP autentifiziert und mit einem "Berechtigungsbereich" versehen werden.

Das BKA spricht hier von einem "komplexen Berechtigungssystem" -- die Ausgestaltung obliegt allerdings den Teilnehmern.

Grundsätzlich scheinen die Berechtigungen hierarchisch angelegt zu sein d.h. z.B. Zugriff auf OK umfasst auch gesamten Grundbereich. So viel zur Bedeutung von "komplex".

Bekannte Berechtiungsbereiche (nach Datenschleuder 82):

  • Grundbereich: Personen-, Sachfahnung, ED-Behandelte, Haftdaten, PHWs und Personenbeschreibungen, KAN. Da dies der niedrigst priorisierte Bereich ist, haben alle NutzerInnen Zugriff auf diese Daten.

  • Fallbereich: Ex-PIOS-Daten, Fallanwendungen mit Ausnahme OK,
  • Geldwäsche, "Innere Sicherheit". Hier insbesondere Daten
  • "Unbeteiligter" (siehe unten). Partiell sollen diese Daten auch in den Grundbereich diffundieren können (etwa Auskünfte über die Straftaten, die eine Person begangen hat). Zugriff sollen "polizeiliche Ermittler" haben.
  • "Organisierte Kriminalität", "Geldwäsche" und "Innere Sicherheit": Analog Fallbereich, nur eben auf die genannten Felder bezogen.
  • Spukdok: Fallspezifische Daten. Es ist unklar, wie hier Zugriffsrechte geregelt sein sollen.
  • Temporäre Fallanwendungen: Offenbar für Sonderkommissionen und ähnliches gedacht, um diesen weitergehende Rechte auf bestimmte Untermengen der Daten geben zu können.

Daten von Unbeteiligten

Schon Inpol-alt enthielt Daten von Personen, gegen die kein Ermittlungsverfahren lief. Aus dem [http://www.bfd.bund.de/information/tb9798/kap11/11_09.html 17. Tätigkeitsbericht des BfD]:

"In der Projektgruppe INPOL-neu gab es in Anlehnung an die bisherige INPOL-Praxis Überlegungen, auch personenbezogene Daten von nicht beschuldigten und nicht verdächtigen Personen im Rahmen der INPOL-Neukonzeption zu speichern. Das können Daten von Personen sein, die z. B. im Zusammenhang mit der Beschlagnahme eines Notizbuches gefunden werden, die sich nicht auf die beschuldigte oder verdächtige Person beziehen, jedoch auch prima facie nicht eindeutig als irrelevant bewertet werden können."

[Der BfD sagt im weiteren, er hätte mit dem BKA sehr eng festgelegt, was denn der in Frage kommende Personenkreis sei]

Operativ und Dispositiv

Das ursprüngliche INPOL-neu sollte "operative" (Erkenntnisabfragen und Co) und "dispositive" (Analyse, "Prävention") Elemente integrieren ([http://www.bfd.bund.de/information/tb19/node125.html BFD TB2001/02]). Im Zuge des Projektneustarts wurden die dispositiven Elemente zunächst gestrichen und werden erst nach und nach implementiert.

"Operativ" sind dabei anfragen wie: "Was liegt gegen Herrn X vor?" oder "Kennen wir das Fahrzeug mit der Nummer Y". Anfragen an den dispositiven Teil von INPOL hätten dann sein können: "Welcher Zusammenhang besteht zwischen Herrn X und dem Fahrzeug mit der Nummer Y?" Das ursprüngliche INPOL-Neu enthielt eine recht komplexe [http://en.wikipedia.org/wiki/Ontology_%28computer_science%29 Ontologie], um solche Anfragen bearbeiten zu können. Über den gegenwärtigen Stand der Umsetzung ist nichts bekannt.

Technik

INPOL wird weiterentwickelt, offenbar u.a. um die zwischenzeitlich aufgegebenen dispositiven Elemente nachzurüsten, aber gewiss auch zur weiteren Integration biometrischer Daten. Bekannt ist u.a. der Einsatz der Report und Analysesoftware [http://www.innovations-report.de/profile/cognos/referenz.php COGNOS] ausgestattet.

Läuft auf einem Cluster von HP-UX-Systemen (hat jemand IPs?:-).

Kann offenbar über HTTP und proprietäre Polizeiprotokolle abgefragt werden.

Ausgewählte INPOL-Skandale

[http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=132565&template=themen_e Der LfD Brandenburg bemängelt], dass nach Einrichtungsanordnung von INPOL-neu sämtliche Straftaten aus dem Staatsschutzbereich in INPOL übernommen werden, selbst wenn die Details nicht den INPOL-Kriterien entsprechen.

["Glossar"]