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Revision 3 vom 2009-01-17 11:46:29
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Autor: LilaBlume
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Revision 4 vom 2009-02-05 08:48:04
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Autor: LilaBlume
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Vor allem im politischen Bereich, in dem der Einsatz von oft hanebüchenen Ermittlungsverfahren nicht selten als informelles und außergesetzliches Bestrafungsinstrument der Polizei eingesetzt wird, ist die Einstellung von Verfahren Regel und nicht Ausnahme. == Rechtsgrundlagen ==

"Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unrechtmäßig ist" -- diese in vielen Urteilen zu lesende Sentenz könnte eigentlich reichen, wenn das mit dem "unrechtmäßig" nicht so kompliziert wäre.

Einschlägig hier sind zunächst die alten Prinzipien des Datenschutzes, Datensparsamkeit und Zweckbindung. Die Polizei braucht einen Grund zur Speicherung, und sie darf die Gründe nicht einfach nach Gusto ändern.

Leider hat sie ein Totschlagargument, nämlich die Prävention. Idee ist, zu behaupten, die in Rede stehenden Daten ''könnten'' in Zukunft für die Aufklärung von Verbrechen oder auch ihre Prävention wichtig werden. Dieser Zweck ist nun so ohne weiteres für kein Datum zu bestreiten, und so eiern die Gerichte seit Jahrzehnten um die Frage, wo die Grenzen sind.

Konsens besteht mittlerweile, dass es irgendeine Sorte von
Negativprognose geben muss. Dass es sich die Behörden damit häufig zu
leicht machen, zeigt das Verfassungsgerichtsurteil 1 BvR 2293/03 von
2006, das auf einer "sorgfältigen und nicht formelhaften Prüfung"
besteht. Das ist eine gute Nachricht für den Bereich der politischen
Justiz, denn formelhaft ist ja eigentlich klar, dass Zecken Zecken
bleiben und nur auf die nächste Gelegenheit zum Umsturz warten.

In dem Sinn ist das im Politbereich ähnlich wie Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung. In diesem Bereich hat das Verfassungsgericht
2002 angedeutet (indem es nämlich nicht weiter beschließen wollte), dass
selbst nach einem Freispruch weitergespeichert werden darf, denn die
Speicherung eines Verdachts sei etwas ganz anderes als eine Bestrafung,
die durch den Freispruch abgelehnt worden sei.

Einstellungen
=============

In der politischen Repression ist der Einsatz von oft hanebüchenen
Ermittlungsverfahren nicht selten beliebt als informelles und
außergesetzliches Bestrafungsinstrument der Polizei. Da ja die
Einleitung eines dann oft peinlich endenden Gerichtsverfahren gar nicht
angestrebt wird, ist die Einstellung von Verfahren, in dem Fall nach
§170(2) StPO (Ermittlungen bieten keinen genügenden Anlass zur
Klageerhebung) Regel und nicht Ausnahme (von dieser Einstellung werden
die Betroffenen übrigens in der Regel nicht informiert, wenn sie vom
Ermittlungsverfahren nichts wussten).
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 * [http://lexetius.com/2002,799 BVerfG, Mitteilung vom 20.6.2002 - 56/02] -- selbst nach einem Freispruch kann weitergespeichert werden

Rechtsgrundlagen

"Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unrechtmäßig ist" -- diese in vielen Urteilen zu lesende Sentenz könnte eigentlich reichen, wenn das mit dem "unrechtmäßig" nicht so kompliziert wäre.

Einschlägig hier sind zunächst die alten Prinzipien des Datenschutzes, Datensparsamkeit und Zweckbindung. Die Polizei braucht einen Grund zur Speicherung, und sie darf die Gründe nicht einfach nach Gusto ändern.

Leider hat sie ein Totschlagargument, nämlich die Prävention. Idee ist, zu behaupten, die in Rede stehenden Daten könnten in Zukunft für die Aufklärung von Verbrechen oder auch ihre Prävention wichtig werden. Dieser Zweck ist nun so ohne weiteres für kein Datum zu bestreiten, und so eiern die Gerichte seit Jahrzehnten um die Frage, wo die Grenzen sind.

Konsens besteht mittlerweile, dass es irgendeine Sorte von Negativprognose geben muss. Dass es sich die Behörden damit häufig zu leicht machen, zeigt das Verfassungsgerichtsurteil 1 BvR 2293/03 von 2006, das auf einer "sorgfältigen und nicht formelhaften Prüfung" besteht. Das ist eine gute Nachricht für den Bereich der politischen Justiz, denn formelhaft ist ja eigentlich klar, dass Zecken Zecken bleiben und nur auf die nächste Gelegenheit zum Umsturz warten.

In dem Sinn ist das im Politbereich ähnlich wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. In diesem Bereich hat das Verfassungsgericht 2002 angedeutet (indem es nämlich nicht weiter beschließen wollte), dass selbst nach einem Freispruch weitergespeichert werden darf, denn die Speicherung eines Verdachts sei etwas ganz anderes als eine Bestrafung, die durch den Freispruch abgelehnt worden sei.

Einstellungen =============

In der politischen Repression ist der Einsatz von oft hanebüchenen Ermittlungsverfahren nicht selten beliebt als informelles und außergesetzliches Bestrafungsinstrument der Polizei. Da ja die Einleitung eines dann oft peinlich endenden Gerichtsverfahren gar nicht angestrebt wird, ist die Einstellung von Verfahren, in dem Fall nach §170(2) StPO (Ermittlungen bieten keinen genügenden Anlass zur Klageerhebung) Regel und nicht Ausnahme (von dieser Einstellung werden die Betroffenen übrigens in der Regel nicht informiert, wenn sie vom Ermittlungsverfahren nichts wussten).

Nach der Einstellung eines Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens muss die Polizei anhand des Urteils prüfen, ob ein Tatvorwurf zu löschen ist und darf nur weiterspeichern, wenn ein "Verdacht übrig bleibt" und/oder tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass der/die Betroffene künftig eine Straftat begehen wird.

Die Polizei geht dabei in der Regel viel zu restriktiv vor und speichert mehr als sie dürfte. Ein Fall dieser Art ist im [http://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/lfd/tb/2005/tb-2.htm 2005er-Bericht des LfD Ba-Wü] unter 4.2 beschrieben. Grundsätzlich gilt: Eine Einstellung wegen mangelnden Tatverdachts legt sehr nahe, dass gelöscht werden muss.

[http://www.datenschutz.hessen.de/_old_content/tb23/k31p1.htm Ein Grundsatzpapier] dazu wurde 1994 von den LfDs und dem BfD erarbeitet.

Wir bereiten derzeit einen Artikel für die RHZ vor, der das Thema etwas breiter behandelt.

Urteile

  • [http://lexetius.com/2003,3593 BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 - 6 C 3. 03] -- das BKA darf auch bei Einstellungen nach 170(2) StPO weiterspeichern.

  • [http://lexetius.com/2006,1573 BVerfG, Beschluss vom 1.6.2006 - 1 BvR 2293/03] -- bei Weiterspeicherung nach 170(2)-Einstellung (in dem Fall von ED-Daten) muss in jedem Fall eine sorgfältige und nicht formelhafte Prüfung stattfinden.

  • [http://lexetius.com/2002,799 BVerfG, Mitteilung vom 20.6.2002 - 56/02] -- selbst nach einem Freispruch kann weitergespeichert werden