Revision 7 vom 2010-03-30 17:50:03

Nachricht löschen

Unter SIS II firmiert eine ursprüngliche für 2006 geplante Erweiterung von SIS (EU-Bericht dazu).

Murks

Die Inbetriebnahme 2007 wurde auch abgesagt (http://www.heise.de/newsticker/meldung/75922), angeblich auch wegen des Widerstands verschiedener Datenschutzbeauftragter (angesichts des Umstands, dass deren Bedenken auch sonst immer gern ignoriert werden, dürfte es aber vor allem an technischen Schwierigkeiten liegen; es gibt auch Rechtsstreitigkeiten der beteiligten Privatfirmen).

Aufgrund des EU-typischen Softwarmurkses begann schon kurz nach dem Durchwinken des Vorhabens im EU-Parlement (25.10.2006) die Rede von einer (parallelen) schrittweisen Erweiterung von SIS I.

Im Mai 2009 hat die Kommission einen Bericht vorgelegt, der eine Weiterenwicklung von SIS ("SIS I+ RE") mit einer Fertigstellung von SIS II vergleicht.

Daraufhin hat im Juni 2009 der Rat beschlossen, dass SIS II eingestellt werden soll, wenn bis Ende 2009 keine funktionierenden Testläufe nachgewiesen werden können. Einschätzungen zufolge dürfte das bedeuten, dass SIS II frühestens 2011 starten kann, wenn überhaupt.

Im Dezember 2009 findet der Rat auch, dass es 2010 nichts mehr wird mit SIS II, und das, obwohl inzwischen ein Gremium mit dem vielversprechenden Namen "Global Programme Management Board" wöchentlich tagt (nein, keine Chance, Klischees zu entkommen). Drum werden die Verjährungsfristen der Migrationsgesetze gestreckt.

Im März 2010 zirkuliert Ratsdokument 7580/10, das einerseits sagt, dass man das bisherige SIS II vielleicht lieber aufgeben soll und eine Weiterentwicklung des bestehenden SIS SIS II nennen, andererseits, dass das bisherige SIS II am 31.12.2011 aber wirklich laufen muss, die Weiterentwicklung des SIS bis spätestens 31.12.2013. Die Kommission, aus Schaden weise geworden, wollte diese Fristen lieber nicht haben.

Inhalt

Gegenüber dem ursprünglichen SIS sollen in SIS II zusätzliche Identifikationsdaten verwendet werden: Fotografien, Fingerabdrücke und "möglicherweise andere Materialien" (DNA-Profile), biometrische Daten. Personen sollen mit "Aufklärungskennzeichen" versehen werden, wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, oder eine "psychologische Gefahr" darstellen oder bestimmte Gegenstände "besitzen, mit sich führen oder gebrauchen". Daten unterschiedlicher Personen und Objekte sollen miteinander verknüpft werden, um eine Überwachung für eine bestimmte Gruppe zu initiieren.

Zugriff

SIS II-Daten sollen künftig auch Europol und Eurojust zur Verfügung stehen. Europol soll Daten hinzufügen, abändern oder löschen können. Die StaatsanwältInnen von Eurojust werden über SIS II Zugriff auf den Europäischen Haftbefehl erhalten, der dort gespeichert ist und der an die Polizei entweder über ein SIRENE-Büro oder Interpol übermittelt werden soll. Behörden, die für AsylbewerberInnen zuständig sind, sowie Einwohnemelderämter, die für die Ausgabe von Identitätsausweisen zuständig sind, sollen auf SIS II zugreifen können, außerdem Kraftfahrzeugämter und Kreditanstalten im Zuge der grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung.

Auch Inlandgeheimdiensten soll der Zugriff zur geplanten "Terroristen-Datenbank" möglich sein.

Jede SIS II-Suche soll dokumentiert werden -- wie das mit den Geheimdiensten zusammengeht?

Sonstiges

SIS II wird die C-SIS/N-SIS-Struktur übernehmen. Allerdings wird es ein Rückfallsystem fürs C-SIS geben; zusätzlich zur Zentrale in Strasbourg läuft ein zweites C-SIS in St. Johann im Pongau (no joking).

Die Ratsverordnung 1104/2008 verkündet Pläne zur Migration; offenbar ist daran gedacht, zunächst SIS und SIS II parallel laufen zu lassen und über einen "Konverter" zu synchronisieren. Außerdem wird einfrig über N-SIS und NI-SIS (letzteres eine offenbar im Gegensatz zu SIS irgendwie definierte Schnittstelle zwischen C-SIS und den N-SISen) philosophiert. Es gibt damit auch einen neuen Artikel 92A SDÜ, der SIS II einführt. Darin steht etwas kryptisch

  1. The N.SIS II may replace the national section referred to in Article 92 of this Convention, in which case the Member States need not hold a national data file.

Was bedeutet das wirklich? Will das wer machen? Recht klar ist aber:

  1. The central SIS II database shall be available for the purpose of carrying out automated searches in the territory of each Member State.

Offenbar ist das der tiefere Grund für die Ausdefinition von NI-SIS: Die Leute sollen direkt im C-SIS suchen können und nicht mehr, wie noch zu Zeiten von SIS I, nur in ihren nationalen Spiegeln. Man darf das wohl als Zeichen werten, dass von Möglichkeiten, Ausschreibungen national für ungültig zu erklären, vielfach kein Gebrauch gemacht wurde und ein paar Staaten lieber keinen Stress mit dem Betrieb eines eigenen N-SIS haben wollen.

Hersteller

Auf kommerzieller Seite sind die Hauptkontraktoren Steria Frankreich und HP Belgien, aus der BRD kommt vor allem Mummert und Partner dazu. Urspünglich sollten ihnen für die Entwicklung 40 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Bis 2009 sollen etwa 60 Millionen Euro für SIS II verbraten worden sein. Steria und Mummert sind zwischenzeitlich offenbar fusioniert (wer hat pikante Details?)

Weitere Links