Revision 9 vom 2006-11-19 14:26:26

Nachricht löschen

DNS-Auskunfts-Datei (DAD)

Eine Einführung in die Problematik der DAD ist in der Zeitung der Roten Hilfe 2/2005 erschienen (Link folgt).

Rechtsgrundlagen

  • [http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/bkag_1997/ BKA-Gesetz]

  • [http://www.befreite-dokumente.de/eingereichte-akten/einrichtungsanordnung-dna Einrichtungsanordnung]

  • Die Regelungen zur Erfassung von GF vlg. [http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stpo/ Strafprozessordnung] §81 e-g (die diese Paragraphen einführenden bzw. ändernden Novellen sind auch als DNA-Identitätsfeststellungsgesetz im Umlauf)

  • BVerfG-Urteil Dezember 2001 -- GF dürfen nur von veruteilten Straftätern entnommen und gepeichert werden. Es dürfen aber nur nichtkodierende Bereiche verwendet werden, Persönlichkeitsprofile sind unzulässig. Ansonsten ist die Verwendung von GF durch §81g StPO geregelt: nur bei "Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesonderes eines Verbrechens, eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahl in einem besonders schweren Fall oder einer Erpressung"

Inhalt

Die DAD enthält "genetische Fingerabdrücke", eine geeignet kodierte Repräsentation ("Merkmal") von acht Abschnitten der DNA.

Die Einrichtungsanordnung legt für die Datensätze folgende Felder fest:

  • Identifizierungsmuster (die acht Merkmale)
  • Name, Geburtsdatum, Geburtsort der zugeordneten Person, alternativ Spurennummer und -bezeichnung für Tatortspuren
  • Tatvorwurf incl. nähere Bezeichnung der Straftaten (ob das Freitextfelder umfasst, ist nicht bekannt)
  • Aktenzeichen, aktenführende Dienststelle, Herkunft des Datensatzes
  • Erfassungsdatum, Aussonderungsprüfdatum

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei zwei Menschen die acht kodierten Merkmale gleich sind, liegt laut BKA bei 1:700.000.000. Die Chance, dass eine untersuchte DNA-Probe einer falschen Person zugeordnet werden könnte, ist damit äußerst gering, jedoch nicht ausgeschlossen. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Chance im Vergleich mit anderen, viel wahrscheinlicheren Verfahrensfehlern tatsächlich verschwindend ist.

Zweckbestimmung der Datei ist offensichtlich der Abgleich von Spuren und Personen (auch untereinander -- das BKA träumt immer eifrig vom Profilen, und in der Tat ist es ja nicht uninteressant, auf welchen Demos sich die Leute so rumtreiben). Etwas mysteriös ist die Zweckbestimmung der "Gewinnung von Erkenntnissen über polizei- und krimaltaktisches Vorgehen" (Einrichtungsanordnung 2.3). Man könnte das als Freibrief zum Data Mining lesen.

Die DAD legt ein auch für Überwachungsverhältnisse rasantes Wachstumsverhalten an den Tag:

  • April 1998: 0 Datensätze (die Datenbank wird eingerichtet)
  • Ende 2000: 72.300 Personendatensätze, 8800 Spurendatensätze.
  • Anfang 2002: 150.000 Datensätze.
  • November 2002: 236.000 Datensätze.
  • Dezember 2004: 386.000 Datensätze (davon 17% Spuren).
  • April 2005: über 400.000 Datensätze ([http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/artikel.php?id=88159 lt. Zeitungsbericht])

  • Oktober 2006: 1018815 ([http://dip.bundestag.de/btd/16/028/1602875.pdf BT-Drucksache 16/2875] -- diese "offizielle" Auskunft lässt die 2005er-Zahl wenigstens fraglich erscheinen. Alternativ mag die ausufernde Terrorhysterie wirklich einen Sprung dieser Art ausgelöst haben)

Im Dezember 2004 half die DAD den Mord an Rudolf Moshammer aufzuklären. In der Folge forderte die Law-and-Order-Fraktion, die Datenbank "in die Routine des Erkennungsdienstes" einzubauen und mithin die Bedingungen an die Entnahme bezüglich Richtervorbehalt und Tatvorwurf zu lockern oder zu streichen (z.B. http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/188/46142/print.html).

Speicherfirst

Die Einrichtungsanordnung spricht davon, dass nach 10 Jahren (5 Jahre bei Jugendlichen) "zu prüfen" sei, ob gespeicherte Daten gelöscht werden müssen. Eine Speicherfrist als solche ist mithin also nicht festgelegt. Grundsätzlich wird bei Verurteilten auf keinen Fall gelöscht, solange die Person noch in Haft ist oder noch eine Bewährungsfrist läuft.

Grundsätzlich sollen Daten gelöscht werden, wenn

  • der/die Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen worden ist
  • das Hauptverfahren gar nicht erst eröffnet wird
  • das Verfahren eingestellt wird und aus der Einstellungsbegründung hervorgeht, dass der/die Beschuldigte die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.
  • "kein Grund mehr" besteht, anzunehmen, der/die Beschuldigte könnte nochmal Straftaten erheblicher Bedeutung begehen.

Das ist im Groben die Regelung in anderen Datenbanken, und mithin ist speziell im politischen Bereich nicht davon auszugehen, dass die Prüfung zur Weiterspeicherung jemals negativ ausgehen wird ("die Gesinnung des Angeklagten lässt erwarten, dass er bald wieder plakatieren wird").

Zur Speicherfrist von Spuren sagt die Einrichtungsanordnung nichts aus.

Richtervorbehalt

Die Entnahme von Körpermaterial gegen den Willen des Betroffenen ist immer ein schwerwiegender Grundrechtseingriff. Dazu kommt im Fall von Proben zur genetischen Analyse die Möglichkeit weitergehender Untersuchungen, vor allem aber das Fakt, dass wir alle permanent relativ langlebige DNA-Spuren legen, dass also eine Erfassung in der DAD mit einer de-facto-Umkehr der Unschuldsvermutung einhergehen kann ("Wir haben Ihre Spuren am Hauptbahnhof gefunden, und Sie sind als Unruhestifter bekannt -- jetzt beweisen Sie mal, dass Sie nicht die Schmähschriften ausgelegt haben").

Wohl aus diesem Grund legt §81f fest: "Untersuchungen nach §81e dürfen nur durch den Richte angeordnet werden". Der Gag an der Sache ist nur, dass die Entnahme des Materials bereits durch StA oder Polizei stattfinden darf, nur die Analyse selbst hängt vom Richterspruch ab. Als redaktionelles Versehen wird in der Praxis angesehen, dass §81f an sich auch Tatortspuren umfasst; niemand erwartet für diese Richtersprüche, was wohl ein wesentlicher Grund für die Inflation der Verwendung der DAD im Bereich der Trivialkriminalität ist (vgl. unten).

De facto ist das Getöse um die Abschaffung des Richtervorbehalts, das immer mal wieder gemacht wird, für politische Sachen ohnehin unsinnig, da Richter dabei erfahrungsgemäß (wie bei Hausdurchsuchungen auch) mit dem Gummistempel hantieren.

Skandale

Grundsätzlich skandalös an allen (bekannten) Gendatenbanken ist, dass der mit ihrer Einrichtung verbundene dramatische Grundrechtseingriff durchweg mit die bürgerliche Seele besonders heftig bewegender Schwerkriminalität begründet wird, während ihr Einsatz sich durchweg überwiegend gegen Trivialkriminalität richtet. In der BRD sind z.B. verifizierte Tefferfälle [http://www.bfd.bund.de/information/tb9900/kap11/11_06.html weit überwiegend Eigentumsdelikte].

Gegenüber der in der öffentlichen Diskussion genannten Schwerkriminalität sieht übrigens schon das Gesetz einen ganzen Strauß von Tatbeständen vor, der die DNA-Analye rechtfertigt (§81g StPO). Aber das ist immer noch harmlos im Vergleich zur offenbar (andernfalls würde mit der DAD nicht überwiegend Diebstahl bekämpft) um sich greifenden Praxis, Tatortspuren weitgehend unabhängig von der Schwere der Tat untersuchen und abgleichen zu lassen.

Reizvoll: Auf http://www.bka.de/profil/profil5.html schreibt das BKA von "unkodierten" Teilen der DNA in der Gendatenbank -- offenbar sind da nicht nur Profis am Werk.

Gendatenbanken der Länder

Hier ist uns nicht viel bekannt. Hessen unterhält auf jeden Fall eine (vgl. ["Datenbanken Hessen"]

["Glossar"]