Revision 8 vom 2011-01-25 15:46:54

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Verfahren nach §129a

Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist der Begriff, unter dem der im Strafgesetzbuch (StGB) dargelegte Straftatbestand „Bildung terroristischer Vereinigungen“ allgemein bekannt ist. Der Straftatbestand wurde 1976 im Zuge der Bekämpfung des Terrorismus in das StGB aufgenommen und führte den Begriff „Terroristische Vereinigung“ als Rechtsbegriff ein. § 129a StGB ist Bestandteil eines von Kritikern als Lex RAF bezeichneten Gesetzesbündels, das mit besonderem Bezug auf die Rote Armee Fraktion (RAF) erlassen wurde

§ 129 a

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1. wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,

2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder

3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(3) Der Versuch, eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar. (4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen; auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der kriminellen Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100c Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, c, d, e und g mit Ausnahme von Straftaten nach § 239a oder § 239b, Buchstabe h bis m, Nr. 2 bis 5 und 7 der Strafprozessordnung genannte Straftaten zu begehen. (5) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 3 absehen. (6) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können; erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

Quelle: §129 StGB

Der Paragraph als Ausforschungsmittel

Weniger als drei Prozent der Ermittlungsverfahren, die in den 1990er Jahren auf Grund des § 129a eingeleitet wurden, endeten mit einem gerichtlichen Urteil. Die eingestellten restlichen 97 Prozent waren für den Staatsschutz keineswegs nutzlos, denn der § 129a eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten zur Überwachung großer Personengruppen auch ohne wikliche Anhaltspunkte. Die gesammelten Daten verbleiben dann nach der Einstellung des Verfahrens in NADIS oder in INPOL.

Skandale

Hakenkrallen Verfahren

Wegen Hakenkralle gegen den Zugverkehr wurde in den 90-zigern gegen mehrere bekannte Anti-AKW Aktivist_innen ein 129a-Verfahren eingeleitet.

Autonome Gruppen

Kurz vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm wurden etliche Hausdurchsuchungen in Berlin und in Hamburg wegen einer angeblichen Autonomen Gruppe gegen den G8-Gipfel.

mg-Verfahren

Anfang des Jahrtausend tauchten zum erstenmal Bekennerschreiben der mg (militanten gruppe) nach Brandanschlägen in Berlin auf. Daraufhin wurden etliche 129a-Verfahren gegen die unterschiedlichsten Personen ohne wikliche Anhaltspunkte aus Berlin eingeleitet. Im Nachhinein wurden die meisten Verfahren vom BGH als rechtsweidrig beanstandet.

Drei Personen wurden vom Berliner Kammergericht im Oktober 2009 der Mitgliedschaft der mg verurteilt, weil sie 2007 in der Nähe waren, als ein Bundeswehrfahrzeug versucht wurde anzuzünden. Die Revision steht 2011 noch aus.

Der Soziologe Andrej Holm wurde zusammen mit den drei anderen Personen verhaftet, weil ihm unterstellt wurde der interlektuelle Kopf zu sein, da in den Bekennerschreiben Worte auftauchten, die er häufig in Artikeln verwendete. Das Verfahren gegen Andrej Holm wurde im Sommer 2010 einstellt.